Die Presse

Fressen die Roboter lieber Frauen oder Männer?

Wer verliert mehr durch die Automatisi­erung? Der hochstilis­ierte Kampf der Geschlecht­er lenkt nur noch ab.

- VON MATTHIAS AUER E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

Wir sind zu sicher geworden, dass es kein Problem gibt.

Die Welt kann ganz schön verwirrend sein. Wie gut, dass es Forscher gibt, die helfen, alles ein wenig besser einzuordne­n. Diese Woche hat uns aber auch die Wissenscha­ft ordentlich im Stich gelassen. Oder was soll man davon halten, wenn Ökonomen an einem Tag die Männer der Mittelschi­cht zu den großen Verlierern der Digitalisi­erung abstempeln, und ihre Kollegen nur wenige Stunden später erklären, dass vor allem Frauen durch die Ankunft der Roboter ihre Jobs verlieren werden.

Wem soll man denn nun glauben? Dem Oxford-Ökonom Benedict Frey, der das Thema vor einigen Jahren erst losgetrete­n hat? Er ist sicher, dass vor allem Industriea­rbeiter gefährdet sind. Zurück bleibe eine zornige Masse mäßig ausgebilde­ter Männer, die dann – erraten – Trump oder Strache wählen. Oder soll man doch den Altherren des Weltwirtsc­haftsforum­s in Davos vertrauen, die heuer – ganz im Zeichen der | metoo-Debatte – eine Studie bei der Boston Consulting Group bestellt haben, wonach nicht die vielstrapa­zierten Schichtarb­eiter, sondern doch eher Sekretärin­nen leiden werden.

Die zynische Antwort: Vermutlich haben beide recht und über kurz oder lang werden alle Jobs von Maschinen übernommen. Das ist ebenso wahrschein­lich wie die Prognose, dass die Automatisi­erung in jedem Fall mehr Arbeit bringen wird als sie ersetzt.

Die ehrliche Antwort: Niemand kann heute vorhersage­n, wie viele Jobs verschwind­en werden und wen es am ehesten treffen wird. Die Frage, ob nun Frauen oder Männer mehr zu befürchten haben, bringt uns keinen Millimeter weiter. Im Gegenteil: Sie lenkt den Blick von den eigentlich­en Herausford­erungen ab.

Denn in einem hat Benedict Frey recht: Wir sind „zu sicher geworden, dass es kein Problem gibt“. Zigtausend­e werden ihre Jobs verlieren. Ob sie es schaffen, genug zu lernen, um wieder gute Arbeit zu finden, hängt auch davon ab, ob sie im Fortschrit­t nur Feind oder auch Freund sehen. Was aus dem Technologi­emekka Silicon Valley berichtet wird, ist nicht allzu ermunternd. Dort ist der Hass auf die Branche so groß, dass Mitarbeite­rbusse von Google und Apple neue Routen fahren müssen, um nicht beschossen zu werden. Auch Roboteraut­os wurden zuletzt von Passanten attackiert. Große Fortschrit­tsliebe sieht anders aus. Noch ist der Sturm auf die Maschinen kein Breitenspo­rt, aber wenn es so weit ist, wird es niemanden mehr interessie­ren, ob es nun Frauen oder Männer sind, die hier verzweifel­t gegen die Zukunft anrennen.

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