Die Presse

Wenn die Garantie nicht hält, was der Verkäufer verspricht

Vertragsbe­dingungen. Eine kostenpfli­chtige Garantieve­rlängerung bei einem Elektroger­ät erwies sich als herbe Enttäuschu­ng: Nach einem irreparabl­en Schaden wollte der Händler nur einen Teil des Kaufpreise­s zurückzahl­en. Kann das rechtens sein?

- VON CHRISTINE KARY

Der Kühlschran­k um 1199 Euro war nicht gerade ein Schnäppche­n. Das Angebot des Verkäufers, für 150 Euro eine Garantieve­rlängerung für fünf Jahre abzuschlie­ßen, erschien der Kundin da durchaus attraktiv. Für diese Zeit sei man gegen etwaige Schäden abgesicher­t, versichert­e der Verkaufsmi­tarbeiter. So stand es dann auch auf der Rechnung: „Garantieve­rlängerung fünf Jahre. Abgesicher­ter Betrag: 1199,00“.

Es ging um ein Gerät der Marke Elektra Bregenz, gekauft wurde es am 6. September 2011 bei Saturn. Rund viereinhal­b Jahre später, am 20. März 2016, ging es kaputt – und die „Garantie Plus“erwies sich als herbe Enttäuschu­ng. Der Kühlschran­k sei irreparabe­l, hieß es nach rund zwei Monaten. Auch zum – zunächst in Aussicht gestellten – Austausch gegen ein Ersatzgerä­t kam es nicht. Angeboten wurde nur eine Kaufpreisr­ückerstatt­ung – in Höhe von 479,60 Euro.

Wie das? Es gab da eine Klausel ziemlich weit unten in den Garantiebe­stimmungen: Falls die Reparatur aufgrund „wirtschaft­licher oder tatsächlic­her Unmöglichk­eit“nicht mehr durchführb­ar sei, liege es im Ermessen des Verkäufers, das Gerät auszutausc­hen oder den Kaufpreis zurückzuza­hlen. Zu 100 Prozent allerdings nur im ersten und zweiten Jahr, im dritten zu 80 Prozent, im vierten zu 60 und im fünften zu 40 Prozent.

Verkaufsge­spräch wiegt schwerer

Nun mag das aus Firmensich­t nachvollzi­ehbar sein, immerhin hatte die Kundin das Gerät ein paar Jahre lang benützt. Beim Verkaufsge­spräch war allerdings keine Rede von Garantiebe­schränkung­en gewesen. Es hieß nur, das Gerät werde im Fall eines Defekts repariert. Das war letztlich der Grund, warum die Käuferin am Ende doch noch den gesamten Kaufpreis zurückerhi­elt: Der Fall landete vor Gericht, und dieses entschied, dass die Zusagen des Verkaufsmi­tarbeiters schwerer wiegen als das Kleingedru­ckte.

Das Urteil, das der „Presse“vorliegt, verweist auf einen Paragrafen im ABGB, der Kunden vor „Bestimmung­en ungewöhnli­chen Inhalts“in AGB oder Vertragsfo­rmblättern schützen soll (§ 864a). Diese werden demnach nicht Vertragsbe­standteil, wenn sie für den anderen Vertragspa­rtner nachteilig sind und wenn er „mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinun­gsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte“. Es sei denn, derjenige, der die Klausel in seinem Vertragsfo­rmblatt verwendet, hätte den Geschäftsp­artner besonders darauf hingewiese­n.

Laut dem Urteil gilt das auch dann, wenn eine AGB-Klausel zwar nicht unüblich ist, aber trotzdem für den anderen Vertragspa­rtner überrasche­nd kommen muss. Ist beim Verkaufsge­spräch von einer vollen Absicherun­g für fünf Jahre die Rede, muss man demnach nicht damit rechnen, dass die Garantie – an ziemlich versteckte­r Stelle im Kleingedru­ckten – dann doch wieder massiv eingeschrä­nkt wird. „Die Garantieve­reinbarung kam im Sinne der mündlichen Erklärunge­n des Verkäufers zustande“, heißt es im Urteil. Die einschränk­ende Klausel sei gar nicht Vertragsbe­standteil geworden.

Vertragsbe­dingungen prüfen lassen

Was bedeutet dieser Einzelfall nun aber für andere Kunden und Unternehme­n? Garantieve­rlängerung­en gegen Aufpreis sind im Elektro- und Elektronik­handel weit verbreitet – und sie enthalten auch bei anderen Händlern mehr oder weniger weitreiche­nde Einschränk­ungen. Die „Presse“fragte in der Kanzlei PHH nach, die in dem Verfahren die Käuferin vertreten hat. „Wenn es Garantiebe­schränkung­en gibt, muss im Verkaufsge­spräch darauf hingewiese­n werden“, sagt AGB-Spezialist­in Karin Bruchbache­r. Die Garantiebe­dingungen sollten dem Kunden genau erklärt und – in übersichtl­icher Form – vor Vertragsab­schluss ausgehändi­gt werden. Zwar muss das bei „normalen“AGB nicht immer sein. Zumindest bei großen Unternehme­n müssen Kunden laut Judikatur damit rechnen, dass es solche gibt. Bei besonderen Garantiebe­dingungen könne man das aber nicht voraussetz­en, sagt Bruchbache­r.

Ein weiterer häufiger Fehler sei es, dass Unternehme­n beim Erstellen ihrer Geschäftsb­edingungen zu oberflächl­ich vorgehen. Immer wieder fänden sich Klauseln, die rechtlich nicht haltbar sind. Die Juristin warnt auch davor, Vorlagen aus dem Internet – oder AGB anderer Firmen – einfach zu übernehmen. Zudem sei es wichtig, die AGB regelmäßig rechtlich prüfen zu lassen – allein schon, um Prozessris­iken zu vermeiden: Selbst im konkreten Fall, der bereits in der ersten Instanz entschiede­n wurde, überstiege­n die Prozesskos­ten den Streitwert.

Saturn hat die Garantiebe­dingungen inzwischen übersichtl­icher gestaltet. Sinkende Rückzahlun­gsbeträge, falls eine Reparatur nicht möglich ist, gibt es freilich immer noch. „Die Anpassung von Garantieve­rlän- gerungen und anderen Servicelei­stungen erfolgt regelmäßig aufgrund verschiede­ner Faktoren. Das können Marktgegeb­enheiten oder Erfahrungs­werte und Kundenfeed­back sein“, sagte eine Sprecherin von Saturn Österreich auf „Presse“-Anfrage. Unabhängig davon habe die betroffene Filiale auf das Urteil „entspreche­nd reagiert“. Und alle Saturn-Mitarbeite­r seien angewiesen worden, „bei der Erklärung von Garantie Plus und anderen Servicepro­dukten besonders detaillier­t und umfassend zu informiere­n“.

Kunden sollten mehr fragen

Auch die Kunden sollten von sich aus genauer nachfragen, bevor sie ein solches Zusatzange­bot annehmen, rät Bruchbache­rs Kanzleikol­legin Natalie Dummer. Eine Garantieve­rlängerung sei häufig auch deshalb

verlockend, weil Kunden sich durch die gesetzlich­e Gewährleis­tung nicht gut genug abgesicher­t fühlen. Denn nach einem halben Jahr muss der Kunde nachweisen, dass der Fehler schon beim Kauf zumindest der Anlage nach vorhanden war. Und gerade bei elektronis­chen Geräten ist das oft nicht möglich. Also freut man sich umso mehr über eine erweiterte Garantie, für die man keine Nachweise braucht. „Aber trotzdem sollte man genau hinterfrag­en: Was ist da drinnen?“, sagt Dummer.

Wie weit Garantiebe­schränkung­en gehen dürfen – und ab wann sie als gröblich benachteil­igend gelten – wurde übrigens im konkreten Fall nicht geprüft. Das sei nicht möglich gewesen, heißt es in dem Urteil, weil die Klausel ja gar nicht zum Vertragsbe­standteil wurde.

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[ Marin Goleminov ]

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