Die Presse

Don Jose,´ braver Soldat mit großer Stimme

Wiener Staatsoper. Eine „Carmen“mit sieben Rollendebü­ts: Piotr Beczala triumphier­te als Don Jos´e; Margarita Gritskova in der Titelrolle beeindruck­te vor allem darsteller­isch. Just bei der „Habanera“hatte sie aber gesanglich­e Probleme.

- VON THERESA STEININGER

Auf manche Rollen muss ein Opernsänge­r offenbar warten können – zumindest ist dies sowohl für die eigene Stimme als auch für das Publikum eine Wohltat und klug. Piotr Beczala gab am Dienstag sein weltweites Debüt als Don Jose´ in „Carmen“, das mit großer Spannung erwartet worden war und von dem er im Vorfeld betont hatte, wie sehr er den richtigen Moment für diese Partie abgewogen habe.

Er ist sichtlich gekommen, bereits beim „Parle-moi de ma m`ere“beeindruck­en Beczala und die als Micaela¨ ebenfalls debütieren­de Olga Bezsmertna mit langen, ausgezeich­net ausgeführt­en Legato-Bögen und edlen Timbres, die ihnen die ersten Bravi-Rufe einbringen. Viel Volumen, jedoch mit Bedacht eingesetzt, zeigt Beczala bei der Blumenarie, für die er nicht nur vom Publikum für elegante Phrasierun­gen und lange ausgehalte­ne Töne frenetisch bejubelt wird. Sogar Dirigent Jean-Christophe Spinosi, der selbst mit Animo am Pult agiert, legt den Taktstock beiseite und klatscht. Während Beczalas Don Jose´ stimmlich mit viel Verve beeindruck­t, legt er ihn darsteller­isch als besonders braven Soldaten an, ja nimmt man ihm die Zuneigung zu Micaela¨ und die Ehrenhafti­gkeit eher ab als den eifersücht­igen Liebenden. Bis zum fatalen Schluss glaubt der Don Jose´ des polnischen Tenors ganz offensicht­lich daran, dass Carmen doch zu ihm zurückkehr­en könnte, ja, er zögert sogar den tödlichen Messerstic­h noch hinaus, hält seine Hand beim „Damnee“´ ein letztes Mal zurück, bis ihn die dem Torero zujubelnde Menge doch zur Kurzschlus­shandlung herausford­ert.

Umgekehrt der Eindruck bei Margarita Gritskova. Bald lasziv und frivol, bald mit der nötigen vorgeschüt­zten Gleichgült­igkeit spielt sie eine Carmen, wie sie im Buche steht, hat allerdings ausgerechn­et mit der „Habanera“ihre Probleme. Lange Phrasen machen ihr hier Schwierigk­eiten. Schon in der „Seguidilla“zeigt sie mehr Leichtigke­it, wobei stört, dass sie die letzte Silbe des titelgeben­den Wortes teils verschluck­t. Ihre Dynamik und Arroganz machen dies jedoch teilweise wett, und in der Folge kann sie auch stimmlich mehr bestechen, etwa im KartenEnse­mble, in dem sie ihre Seele offenbart.

Bezaubernd und zart – stimmlich wie darsteller­isch – die Micaela¨ von Olga Bezsmertna, die mit samtenem Timbre und vokalem Liebreiz beeindruck­t. Dass nach ihrem „Je dis que rien ne m’epouvante“´ ein ungerechtf­ertigter Buhruf von der Galerie zu hören ist, quittiert das restliche Publikum mit umso längerem Applaus – auch wenn sie ihre Höchstform bereits im ersten Akt präsentier­t hat. Ein besonderer Beifall sollte auch Silvia Careddu an der Querflöte gebühren, die durch ihre schmeichel­nden Soli dafür sorgt, dass das Schicksal von Bizets Protagonis­ten richtig tief unter die Haut geht.

Gleich sieben Rollendebü­ts waren es an diesem Abend in der schon so lange publikumsw­irksamen, optisch eindrucksv­ollen Zeffirelli-Inszenieru­ng von 1978: Auch Margaret Plummer als klangschön­e Merced`´es, Carlos Osuna als Remendado, Igor Onishchenk­o als Dancairo und Ayk Martirossi­an als Zuniga zeigten, dass im Staatsoper­n-Ensemble spannende Stimmen nachrücken. Carlos Alvarez ist als Escamillo stimmlich wie darsteller­isch souverän zurück.

Die beiden Folgevorst­ellungen sind ausverkauf­t, jene am 29. Jänner wird jedoch per Gratis-Livestream (staatsoper­live.com) angeboten. Dann kann man sich auch zuhause davon überzeugen, wie beeindruck­end und klug es sein kann, wenn ein Weltklasse­tenor den richtigen Zeitpunkt für eine Rolle wählt.

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