Wilder Tanz eines finsteren Geistes
Kurz, aber intensiv: Tricky gab im Wiener WUK eindrucksvoll den sinistren Triphop-Prinzen.
Seine letzte Wohnung in London befand sich in der Nähe des Bahnhofs King’s Cross: eine wilde Gegend, der sich die Gentrifizierer derzeit annehmen. Der aus Bristol stammende Triphop-Pionier Tricky verließ sie, zog nach Berlin. Das verbesserte seinen Lebenswandel: Jetzt geht er sogar manchmal vor Mitternacht zu Bett. Sein 13. Album „Ununiform“reflektiert dieses neue Leben. Wirklich gemütsaufhellend ist es nicht, Tricky setzt sich nur vitaler den Kräften des Dunklen aus.
Stockfinster war auch die Bühne, als sich die Musiker darauf verteilten. Es begann mit einer Einspielung von „Do What U Want Fi Do“vom wegen Mords lebenslang in Jamaika einsitzenden DancehallStar Vybz Kartel. Tricky wackelte dazu unruhig auf und ab. Das eigentliche Eröffnungsstück „You Don’t Wanna“flüsterte er dann fast unerhörbar, den Rücken dem Publikum zugewandt. Dann kitzelte der martialisch aussehende Gitarrist überraschend erdige Sounds aus den Saiten, zu denen Tricky erwachte und die Worte „Be my sweetheart – that’s where the pain starts“ins Mikrofon hustete. Der Zweifel an der Liebe zog sich weiter: „How strange, how strange is it love“seufzte die Sängerin. Die liebende Ausrichtung auf ein Du liegt dem Songwriter Tricky nicht: „Oh, I’m tired of thinking of you“klagte er. Auch einen Konzertbesucher blaffte er giftig an: „Turn that fuckin’ flash off!“
Beim hübschen „Parenthesis“wurde seine Stimme voller; im Duett „When We Die“steigerte er sich in einen Taumel, boxte in die Luft, kämpfte mit dem eigenen T-Shirt, drehte sich, taumelte, verwickelte das Mikrofonkabel heillos. „Where do I go?“fragte er immer wieder, bellte trotzig, er gedenke nicht, „young like Michael“zu sterben. Trieb ihn eine Todesahnung? Mit den Mikrofonständern hantierte er jetzt, als wären sie Skistöcke und er müsste eine rasante Talfahrt noch beschleunigen. „Nothing’s Changed“und das sinistre „Dark Days“wurden so intensiv, dass sie ihn offenbar so schwächten, dass er die Bühne nach nur 45 Minuten mit einem „Good Night!“verließ.
Er kehrte zwar nach einer gefühlten Ewigkeit wieder, aber mit der Intensität war’s vorbei. Einzig „Palestine Girl“über eine Amour fou in Gaza City peitschte noch so richtig in die Ohren. In diesen hallten Sätze wie „No shade of comfort in the prison of my mind“noch lange nach Konzertende nach. Tricky mag jetzt gesünder leben, erratisch ist er geblieben.