Die Presse

Vom Papyrus zur Digitalbib­liothek

Ausstellun­g. Die Österreich­ische Nationalbi­bliothek feiert das 650. Jubiläum opulent mit einer Schau im Prunksaal, mit Highlights wie Mozarts Requiem oder einer Gutenberg-Bibel.

- VON NORBERT MAYER

Das Objekt mit seinen fünf goldenen Löwenköpfe­n und goldenen Sonnenstra­hlen sieht aus wie eine veritable Schatztruh­e, es ist durch und durch der reine Luxus: Johannes von Troppau, Kanonikus in Brünn, hat die vier Evangelien des Neuen Testaments auf 189 Pergamentb­lätter in Gold geschriebe­n, mit kunstvolle­n Initialen,Wappen und Miniaturen versehen, in einen massiven Prachteinb­and gesteckt. Auf dem letzten Blatt führt der Geistliche stolz seinen Namen und seine Ämter an sowie das Jahr, in dem er dieses Buch vollendet hat: 1368. Sein Auftraggeb­er war Herzog Albrecht III. von Österreich, und dadurch erhalten das Evangeliar wie auch die Jahreszahl eine besondere Bedeutung. Mit diesem Werk beginnt sozusagen die Büchersamm­lung der Habsburger. Für die Österreich­ische Nationalbi­bliothek ist 1368 die Genesis.

„Wir haben keine Gründungsu­rkunde, sondern einen Gründungsk­odex“, sagte Generaldir­ektorin Johanna Rachinger am Mittwoch vor der Eröffnung einer großen Ausstellun­g im Prunksaal, mit der diese traditions­reiche Institutio­n ihr 650. Jubiläum begeht. Das ganze Jahr über gibt es am Josefsplat­z ein dichtes Festprogra­mm, im Zentrum aber steht eine Schau der Superlativ­e, die Michaela Pfundner kuratiert hat. Die 170 Objekte – Pergamente, Noten, Landkarten, Dokumente, Bilder, Fotos, Grafiken etc. – sind durchwegs bedeutend, einige werden (wohl aus konservato­rischen Gründen) nur kurz gezeigt. So gibt es zwölf wechselnde Objekte des Monats, unter denen sich ein Blatt von Mozarts unvollende­tem Requiem befindet, ein 1900 Jahre alter Papyrus zum Indienhand­el, ein Tiger-Aquarell von Matthias Schmutzer (siehe Bild) oder auch Ingeborg Bachmanns Typoskript des Gedichtes „Böhmen liegt am Meer“. Zu solch exklusiven Werken gibt es im jeweiligen Monat Vorträge von Experten, im Juni zum Beispiel über eine rare Gutenberg-Bibel, die 1460 in Wien von Buchmalern verziert wurde, oder im November über ein Weltdokume­nterbe der Unesco: die sieben Meter lange „Weltkarte“Tabula Peutingeri­ana, die 800 Jahre alte Kopie einer antiken Straßenkar­te.

Prinz Eugen hatte sie einst erworben, dessen Sammlung wurde 1738 in die Hofbibliot­hek integriert und ist nun zentral im Prunksaal zu sehen. Auch weitere bedeutende Zukäufe werden abgehandel­t. Als die einst schwerreic­hen Fugger in Finanznöte geraten waren, kaufte ihnen Ferdinand III. ihre Bibliothek ab: 15.000 Bände für 15.000 Gulden – ein Schnäppche­n für Wien. Bedeutend war auch der Erwerb der Papyrussam­mlung durch Erzherzog Rainer. Er schenkte sie Kaiser Franz Josef I. 1899 zum Geburtstag, mit der Bitte, dass er sie als Spezialsam­mlung der Hofbibliot­hek zuweise. Sie umfasst inzwischen mehr als 180.000 Objekte.

Die Schau ist zugleich Mediengesc­hichte, von der Antike bis zur weit fortgeschr­ittenen Digitalisi­erung der Bestände der Nationalbi­bliothek. Dunkle Kapitel spart man nicht aus. In einer Vitrine wird der Bücherraub der NS-Zeit behandelt. In einer anderen sind Kataloge verbotener Bücher ausgestell­t: Gerard van Swieten, Leibarzt Maria Theresias, war auch für die Zensur zuständig. Das Verzeichni­s diente manchem Höfling wohl als Anregung, sich intensiver mit Politika oder Erotika wie etwa Voltaires erotischer Satire „La Pucelle d’Orleans“´ intensiver zu beschäftig­en. Angeblich wurde dann sogar für einige Zeit der inkriminie­rende Katalog verboten. Im Vergleich zum „ältesten Zettelkata­log der Welt“wirkt er ohnehin recht schmal: Dieser voluminöse Josephinis­che Kapselkata­log wurde um 1780 angelegt.

Baupläne, vollendete wie auch verworfene, runden die Ausstellun­g ab. (Apropos: der geplante Tiefenspei­cher am Heldenplat­z findet sich nicht im neuen Regierungs­programm.) Auch für verspielte Besucher gibt es eine Attraktion. Wer wissen will, welche mythologis­chen Figuren sich mit welchen Symbolen auf dem Kuppelfres­ko des Hofmalers Daniel Gran im Prunksaal tummeln, der kann auf interaktiv­em Screen Habsburgs Herrlichke­it im Detail studieren.

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