Die deutschen Malerstars sind jetzt Österreicher – wem nützt’s?
Erst Georg Baselitz, jetzt Anselm Kiefer – gerade die international als deutsche Nationalmaler angesehenen Künstler wollen das so gar nicht sein. Kiefers Spiel mit deutschen Mythen wurde oft falsch verstanden.
Es ist ein zynischer Zufall: Genau an dem Tag, an dem alle über die integrierte tschetschenische Familie sprachen, die nach sechs Jahren Asylverfahren aus Österreich abgeschoben wurde, bekam einer der reichsten Künstler der Welt die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Das sei „im besonderen Interesse Österreichs“, erklärte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der Kiefer am Dienstag die Urkunde überreichte. Im „besonderen Interesse Österreichs“könnte es auch sein, zum jetzigen Zeitpunkt, in dem die internationale Politik das Tun in diesem Land speziell beobachtet, nicht mit menschlich fragwürdigen Abschiebungen in die Schlagzeilen zu kommen. Was ist eine Staatsbürgerschaft „wert“? Wie „verdient“man sich eine solche? Wie wirtschaftlich erfolgreich muss ein Künstler dafür eigentlich sein? Solche Gedanken können einem kommen, wenn man sich die vergangenen Künstler-Einbürgerungen ansieht: Anna Netrebko, Georg Baselitz und jetzt dessen Maler-Kollege Kiefer.
Die prinzipielle künstlerische Bedeutung all dieser ist unbestritten. Was allerdings ihre jeweiligen Werke so unverzichtbar mit Österreich zu tun haben, ist weniger klar. Netrebko hat den Salzburger Festspielen ihre Karriere zu verdanken, gut. Der Hauptgalerist von Baselitz und Kiefer sitzt mit Thaddäus Ropac in Salzburg, gut. Automatisch fragt man sich nach einem finanziellen Nutzen, der hinter diesen Staatsbürgerschaften stehen könnte. Doch steuerliche Vorteile (zum Beispiel der Wegfall der Schenkungs- und Erbschaftssteuer) sind an Hauptwohnsitze gebunden, nicht an Staatsbürgerschaften. Also, wem nützt es?
Dem Renommee angeblich, dem beidseitigen: des Staates Österreich, der Künstler. Gerade Anselm Kiefer allerdings kann der Zeitpunkt der Erfüllung seines seit über eineinhalb Jahren laufenden Ansuchens – der Beginn einer rechtskonservativen Regierung – wenig Freude bereiten: Sein Werk, gerade sein frühes, in dem er die von den Nazis missbrauchten deutschen Mythen anruft, übersteigert, ihr Pathos befragt, wurde schon immer gerne falsch verstanden. Vor allem in seiner Heimat, in Deutschland, wurde er für seine schweren, historienschwangeren Bilder, in die er gern Namen wie „Siegfried“und „Brünhilde“schrieb, da- mals stark kritisiert, galt gar als „rechts“, was absurd ist. 1991 ging er deshalb nach Frankreich, wo er seither wohnt, Paul Celan und Ingeborg Bachmann liest und flugfeldgroße kabbalistische Weltinszenierungen baut. Auf der ganzen Welt gilt er als deutscher Künstler schlechthin, obwohl die Deutschen das nicht wollen. Jetzt könnten wir ihn als österreichischen Künstler branden, genau wie Baselitz, ebenfalls einer dieser Maler-FürstenGeneration der 60er/70er, die sich von ihrer Heimat schlecht behandelt fühlen (bei ihm war es eine für ihn traumatische Steuerfahndung). Seit 2015 ist auch er Österreicher. Gerade am Dienstag feierte er seinen 80. Geburtstag. Und die deutschen Medien feierten ihn als „deutschen Jahrhundertmaler“. Nur von wegen Renommee . . .