Die Presse

„It’s the migration, stupid!“Der Todestrieb der SPD

Statt ihrer Verantwort­ung für die kleinen Leute nachzukomm­en, treten die deutschen Sozialdemo­kraten für noch mehr Zuwanderun­g und Multikulti ein.

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Es gab eine Zeit, da entschiede­n noch konjunktur­elle Auf- und Abschwünge über den Ausgang von Wahlen. „It’s the economy, stupid“– das war der Slogan, den Bill Clintons Wahlstrate­gen vor 25 Jahren formuliert­en. War ein größerer Kuchen zu verteilen, weil das Sozialprod­ukt wuchs, profitiert­en die Linken; in mageren Zeiten schnitten die Rechten besser ab, weil ihnen die Wähler mehr Wirtschaft­skompetenz zutrauten.

Da die Linke kein Interesse daran haben konnte, die Gans zu schlachten, die ihr die goldenen Eier legte, setzte sich bei ihr allmählich ein Pragmatism­us durch, der die Unterschie­de zu den Konservati­ven immer mehr verwischte. Tony Blair tastete das Erbe Margaret Thatchers nicht an. In Deutschlan­d stellte nicht Helmut Kohl, sondern erst Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 die Weichen für kräftige marktwirts­chaftliche Reformen. Die linken Sozialdemo­kraten wurden entmachtet, verstummte­n oder drifteten ab in den Linksradik­alismus.

Je mehr sich Sozialdemo­kraten und Konservati­ve wirtschaft­spolitisch annäherten, desto mehr verlagerte­n sich die Auseinande­rsetzungen in die Identitäts­und Symbolpoli­tik, wo die Linke ihre kulturelle Hegemonie ausspielen konnte. In den Vordergrun­d rückten Themen wie Multikultu­ralismus, Gender-Mainstream­ing und Homo-Ehe, der Kampf gegen eine imaginäre „Islamophob­ie“, gegen Familie, Tradition und Nationalst­aat, und ganz allgemein „gegen rechts“.

Die Sozialdemo­kraten hinkten den Grünen auf diesem Gebiet zwar lange nach, aber mittlerwei­le haben sie sie eingeholt. Auf der Strecke blieb die Arbeitersc­haft, die ihre politische Heimat verlor und entweder überhaupt nicht mehr wählen ging oder für rechte Parteien stimmte. Die Randschich­ten und die neue Mittelklas­se, an deren vermeintli­chen Bedürfniss­en sich die neue sozialdemo­kratische Strategie orientiert­e, erwiesen sich als zu volatil, um alten Kernwähler­schichten ersetzen zu können.

Diese Entwicklun­g ist nicht neu, aber hat sich zuletzt dramatisch beschleuni­gt, was sich an den Wahlergebn­issen able- sen lässt. In Europa regieren Sozialdemo­kraten nur noch Italien, Malta, Portugal, Schweden und die Slowakei – sowie Rumänien, sofern man der dortigen Kleptokrat­ie das sozialdemo­kratische Etikett durchgehen lässt. In Frankreich, Holland, Griechenla­nd, Irland, Polen, Tschechien und Ungarn sind sie zu Kleinparte­ien mit einem Wählerante­il von fünf bis sieben Prozent geschrumpf­t. Wie schon beim Brexit-Referendum und den USPräsiden­tenwahlen ging es auch bei den kontinenta­leuropäisc­hen Wahlen seit 2015 nicht mehr in erster Linie um wirtschaft­liche Argumente, sondern um Einwanderu­ng: „It’s the migration, stupid“.

Deutschlan­d ist ein Sonderfall. Die CDU-Vorsitzend­e und Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, präsentier­t sich als als die bessere Sozialdemo­kratin. Sie hat den Atomaussti­eg dekretiert und den Mindestloh­n zu ihrer Sache gemacht. Schließlic­h hat sie der illegalen Migration die Tore weit geöffnet und sie erst wieder halb geschlosse­n, als die Stimmung im Lande gefährlich umschlug.

Massenzuwa­nderung geht aber auf Kosten der Arbeiter, der kleinen Angestellt­en und der Arbeitslos­en. Mieten steigen mit der Nachfrage, Löhne sinken mit dem wachsenden Angebot an gering qualifizie­rten Arbeitskrä­ften, die Konkurrenz auf dem Arbeitsmar­kt wird härter. Was die Deutschen von der Migrations­politik der Großen Koalition halten, zeigte sich bei der Bundestags­wahl.

Und doch hat sich die SPD auf ihrem Parteitag für eine Neuauflage dieser Koalition entschiede­n, für jenes Weiter-wiebisher, das sie nach der Bundestags­wahl dezidiert ausgeschlo­ssen hatte. Die Furcht vor sofortigen Neuwahlen ist stärker als die vor einem noch größeren Debakel in drei Jahren. Das kann man zur Not verstehen, nicht aber den Todestrieb, der die SPD in den Gesprächen über die Bildung einer neuen Regierung erst recht für noch mehr Zuwanderun­g und Multikulti eintreten lässt.

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VON KARL-PETER SCHWARZ

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