Die Presse

Protest weitab entfernt

Weltwirtsc­haftsforum. Drei EU-Premiers, eine Botschaft für Donald Trump – und Europas Rechtsauße­n-Parteien: Abschottun­g sei der falsche Weg, egal ob ökonomisch oder humanitär.

- RAINER NOWAK

Protest gegen das Weltwirtsc­haftsforum in Davos – aber in Zürich. In Davos war die Demonstrat­ion nach den heftigen Schneefäll­en untersagt worden: Es gebe zu wenig Platz.

Diplomatie ist immer auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts. So gesehen ist die Botschaft der EU im Besonderen und Deutschlan­ds im Speziellen deutlich: Angela Merkel reiste nach ihrer Stippvisit­e am Mittwochab­end wieder ab, Donald Trump plante seine – vorgezogen­e – Landung im tiefversch­neiten Davos für Donnerstag. Er wolle doch noch einige bilaterale Treffen unterbring­en, mit Großbritan­nien Theresa May, Israels „Bibi“Netanjahu und Ruandas Paul Kagame.

Merkel nützte ihren insgesamt zehnten Auftritt beim Weltwirtsc­haftsforum für ein Bekenntnis zur freien Marktwirts­chaft, zur Gültigkeit multilater­aler Abkommen und gegen die Abschottun­g Europas vor Flüchtling­en und Migration. Dabei klang sie ähnlich wie Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, der nach ihr auftrat, und Italiens Premier Paolo Gentiloni, der vor ihr an der Reihe war.

Trotz euphorisch­er Stimmung aufgrund des guten Wirtschaft­swachstums und der Konzentrat­ion auf das allgegenwä­rtige Thema Digitalisi­erung war und ist Trump schon vor seiner Ankunft der überdimens­ionale rosa Elefant im großen Kongressze­ntrum. Seine Ankündigun­g, Schutzzöll­e einführen zu wollen, führte schon dazu, dass das Schreckges­penst vom Handelskri­eg die Runde macht. Gentiloni rief auf: „Europa, bitte handle.“Er verstehe den Wunsch mancher Politiker, ihre Bürger und ihre nationale Wirtschaft zu schützen, aber es gebe eine Grenze. Diese sei dann erreicht, wenn es etwa um internatio­nale Handelsreg­eln und -vereinbaru­ngen gehe.

Ganz ähnlich stellte Merkel klar: „Wir glauben, dass Abschottun­g uns nicht weiterführ­t“, sagte Merkel am Mittwoch in Davos. „Wir glauben, dass wir kooperiere­n müssen, dass Protektion­ismus nicht die richtige Antwort ist. „Man muss die Geduld haben, multilater­ale Lösungen zu finden, und darf sich nicht in die vermeintli­ch schnelle Lösung des nationalen Agierens flüchten.“

Fast ident formuliert­en die Spitzenpol­itiker der Brexit-Union ihre Haltung zum Thema Flüchtling­e. Für Gentiloni sei es eine kla- re Entscheidu­ng Italiens, Flüchtling­e aus dem Mittelmeer zu retten, zu versuchen, einen sicheren Korridor nach Libyen einzuricht­en und die Grenzen offen zu halten. Das bleibe sein Prinzip, so der Ministerpr­äsident, der in wenigen Wochen eine Wahl zu schlagen hat – „auch wenn es politische­n Kosten haben kann“.

Ebenso betonte Merkel, dass die Politik aus der Geschichte gelernt habe, dass weder die chinesisch­e Mauer noch der Hadrianswa­ll im römischen Reich für lange Zeit funktionie­rt hätten. Stattdesse­n gelte es, mit den Nachbarsta­aten zu kooperiere­n. Länder wie Syrien seien Nachbarn Europas. Die mittel- und osteuropäi­schen Regierungs­chefs wie Österreich­s Sebastian Kurz sehen das anders.

Im Paarlauf

Und weiter im Paarlauf der MitteRecht­s-Links-Staats- und Regierungs­chefs. Merkel nennt den aufkommend­en und erstarkten Rechtspopu­lismus „Gift“für Europa, Gentiloni schließt eine Zusammenar­beit mit Silvio Berlusconi­s Rechtspart­ei de facto aus. Und: Beide wünschen sich trotz Brexit eine weiterhin starke Partnersch­aft mit Großbritan­nien. Aber es gibt auch einen Punkt, den Merkel an der Politik Trumps lobt: Dessen Steuerrefo­rm helfe nicht nur der Weltwirtsc­haft, sondern könnte auch andere dazu anregen, ihr Steuer- und Finanzsyst­em zu reformiere­n.

Die deutsche Kanzlerin bezog auch deutlich Stellung für eine stärkere EU. „Wir müssen unser Schicksal mehr in die eigene Hand nehmen. Die einheitlic­he europäisch­e Außenpolit­ik ist noch nicht ausreichen­d entwickelt.“Dies sei vor allem deswegen notwendig, weil ein Großteil der globalen Konflikte „vor unserer Haustür“stattfinde. Als Beispiel nannte sie den Syrien-Konflikt, bei dessen Lösung die EU so gut wie gar keine Rolle gespielt habe.

Zugleich drängte sie auf weitere wirtschaft­liche Integratio­nsschritte. „Wir müssen vor allem ökonomisch­e Stärke entwickeln“, sagte Merkel. So müsse unbedingt schnell der digitale Binnenmark­t in der EU vollendet werden, weil auch die USA und China schnell voranschre­iten würden. Merkel plädierte zudem für weitere Reformen in der EU und der Eurozone. Der Rettungsfo­nds ESM soll zu einem Währungsfo­nds weiterentw­ickelt werden. Wichtig sei eine Angleichun­g der Wettbewerb­sfähigkeit der Euro-Staaten.

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[ Reuters ]
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[ Reuters ] Angela Merkel sprach sich in Davos gegen Abschottun­g und Protektion­ismus aus. Sie plädiert auch für eine stärkere EU-Außenpolit­ik.
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