Stadtchefin? Noch nicht
Analyse. Das rote Match der Männer: Warum im Wettkampf um die Nachfolge von Michael Häupl keine Frau mitgespielt hat. Und warum drei Kandidaten vielleicht besser als zwei wären.
Das Match der Männer: Warum bei der Nachfolge Michael Häupls keine Frau im Spiel ist.
Wien. „Schade, dass ich gegen keine Frau antrete.“Diesen Satz hat man im roten Wahlkampf, der morgen, Samstag, endet, öfter gehört. Er klang aufrichtig, aber auch ein wenig verloren. Denn eine echte Debatte, warum keine Frau als Nachfolgerin von Michael Häupl mitspielte, kam in den vergangenen Wochen nicht auf.
Letztlich waren es höchstpersönliche Entscheidungen“, sagt die Vorsitzende der Wiener SPÖ-Frauen und Finanzstadträtin Renate Brauner. Natürlich gebe es strukturelle Probleme für Frauen in der Politik, aber: Es habe eben keine gewollt. Für Brauner selbst stimmt das. Früher hätte sie gewollt, jetzt nicht mehr. Auch Sonja Wehsely, die sehr polarisiert hatte, ist schon länger nicht mehr im Rennen. Dennoch gelte das „Keine wollte“Diktum so nicht, sagt eine Wiener SPÖ-Politikerin. Selbstverständlich hätten einige Interesse gehabt. „Doch wenn man das Gefühl hat, dass es nicht einmal vom eigenen Kreis Unterstützung gibt, weil nicht einmal der bereit ist, über den einen oder anderen Makel hinwegzusehen, hat es keinen Sinn.“Bei Frauen werde jeder Fehler diskutiert. Dabei seien die jetzigen Kandidaten Schieder und Ludwig auch nicht perfekt.
Tatsächlich lässt sich dieser Eindruck wissenschaftlich untermauern, wie Tamara Ehs ausführt. Die Demokratieforscherin beschäftigt sich mit Repräsentation in der Politik. Beim Barbara-PrammerSymposium zitierte sie eine Studie der Wissenschaftsagentur Salzburg aus dem Jahr 2000. Diese untersuchte, warum es so wenige Kommunalpolitikerinnen gibt – österreichweit sind über 90 Prozent der Bürgermeister Männer. Die Befragungen zeigten unter anderem: Die Eignung von Frauen wird prinzipiell angezweifelt. Auch jene, die angaben, sich vorstellen zu können, eine Bürgermeisterin zu wählen, stellten Bedingungen – etwa nur dann eine Frau zu wählen, wenn sie qualifiziert ist. Bei männlichen Kandidaten wird das angenommen. Das sei ein klarer Wettbewerbsnachteil, sagt Ehs – und weil die Frauen das wüssten, ließen sie sich seltener darauf ein.
Dass die Wiener SPÖ für die Häupl-Nachfolge keine Frau ins Rennen schickt, hält Ehs dennoch für einen strategischen Fehler: Die Wiener SPÖ wolle sich als urbaner Gegenentwurf zur Bundesregierung präsentieren: „Da ist es aus wissenschaftlicher Sicht beachtlich, dass man diese Chance verabsäumt hat.“Anknüpfend an einen Vorschlag der Sektion 8 plädiert sie für ein Vorwahlsystem. Es sollte stets mindestens drei Kandidaten geben, wenigstens einer müsste eine Frau sein. Eine Idee, die Brauner nicht goutiert: „Das ist gut gemeint, aber nicht der richtige Weg.“
Welcher wäre das aber? Fakt ist für Ehs, dass der Partei eine Strategie fehlt, weibliches Führungspersonal gezielt aufzubauen. Und zwar auf allen Ebenen. Dabei seien auf Bezirksebene die Vorbedingungen nicht schlecht: So wie in ländlichen Gebieten finden Menschen noch immer oft über das Ehrenamt zur Politik. Im Unterschied zu kleinen Gemeinden, wo der Einstieg oft über Vereine oder die freiwillige Feuerwehr erfolgt, sind es in Wien oft Bürgerinitiativen – und da sind Frauen durchaus gut vertreten.
Extreme Personalisierung
Was Häupls Job betrifft, ist die Ausgangslage schwieriger: „Das Amt ist extrem personalisiert, das schreckt Frauen ab“, sagt Ehs, die deshalb auch eine Aufsplittung der Ämter (Parteivorsitz/Bürgermeister) sinnvoll fände. Entsprechend der Zuspitzung auf die Person sei das Amt traditionell gestaltet: Abendtermine, kaum freie Wochenenden. Dabei müsste das nicht so sein, wie Schweden zeigt, wo die politische Kultur ohne späte Sitzungen auskommt. „Wenn das bei einer schwedischen Ministerin möglich ist, muss es auch bei einem Wiener Bürgermeister gehen“, sagt Ehs. In Schweden gebe es in der Kommunalpolitik auch 40 Prozent Frauen. Ohne Quote. Aber mit gut ausgebauter Kinderbetreuung.
Traditionell sind beim Landeshauptmann nicht nur die Arbeitskultur, sondern auch das Image. Das Frausein werde auf „ungefährliche, mütterliche Aspekte“reduziert, so Ehs. Eine junge Frau mit feministischer Agenda, eventuell mit Kindern, wäre ein Novum. Eine Option wie Pamela Rendi-Wagner, die in Wiens SPÖ diskutiert, aber mangels Parteierfahrung verworfen wurde, hätte man vorbereiten müssen: „Man kann nicht von heute auf morgen sagen: Jetzt machen wir auf moderne, junge Frau.“Andererseits, warum nicht? Gestern gab Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bekannt, dass sie schwanger ist und plant, sich die Betreuung mit ihrem Mann zu teilen.
Aus dem Kreis der SPÖ-Frauen heißt es: 2018 soll das letzte Mal gewesen sein, dass ein wichtiges Amt vergeben wird, ohne dass eine Frau in die engere Wahl kommt. Aber das hieß es schon 2016. Bei der Nachfolge von Werner Faymann.