„Das war ein politischer Mord“
Malta-Skandal. Das Europaparlament hat vor Ort die Missstände im maltesischen Justiz- und Finanzwesen untersucht, die eine Aufklärung des Mords an der Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia behindern.
Brüssel. In Malta ist es zulässig, dass ein iranischer Bankier mit Reisepass der karibischen Steueroase St. Kitts and Nevis, der angibt, in einem Vorort von Washington zu leben, tatsächlich aber in Dubai residiert, mit dubiosem Kapital eine Banklizenz erhält. Es ist in diesem Unionsmitgliedsland ebenfalls zulässig, dass die daraus entstehende Bank Konten für den Kabinettschef des Premierministers und den amtierenden Tourismusminister betreibt – Konten, die einzig dazu dienen, trübe Transaktionen in Offshoregesellschaften abzuwickeln. Möglich ist es in Malta ebenfalls, dass ein EU-Kommissar, der sein Brüsseler Amt nach Ermittlungen des Antikorruptionsamts Olaf zurücklegen musste, nicht strafrechtlich verfolgt, sondern zum Sonderberater des Premierministers ernannt wird. Und möglich ist es, dass eine Journalistin, die all dies aufgedeckt hat, in ihrem Auto in die Luft gesprengt wird, ohne dass das selbst drei Monate später ernsthafte Ermittlungen der Polizei nach sich zieht.
Diese Auszüge aus dem 35-seitigen Bericht, den eine Delegation von Europaabgeordneten auf Grundlage ihrer Nachschau vor Ort erstellt hat, veranschaulichen die Abgründe des maltesischen Justiz- und Finanzwesens. Sie zeigen jene politischen Abgründe auf, deren Aufklärung die Journalistin Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 das Leben kosteten.
Ungesunde Machtkonzentration
„Das war ein politischer Mord“, mahnte die niederländische Liberale Sophie in ’t Veld am Donnerstag bei der Debatte dieses Berichts im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres. „Da gab es derart trübe und finstere Tätigkeiten, dass es wert war, für diese zu morden.“In ’t Veld warnte davor, dass Malta „zum schwachen Glied“in der EU werde. „Was bedeutet das für die Polizeizusammenarbeit, zum Beispiel, wenn wir den Informationen nicht mehr trauen können, die über Interpol ausgetauscht werden?“
Die Probleme in Malta sind, wie die Ermittlungen der Parlamentarierdelegation zeigen, systemischer Natur. So leitet zum Beispiel der Justizminister zugleich den Aufsichtsrat der maltesischen Behörde gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung, ist Rechtsberater der Regierung und Oberster Staatsanwalt. Er behauptet, ein Strafverfahren könne er erst einleiten, wenn die Polizei entsprechende Ermittlungsergebnisse an ihn herangetragen habe. Der Chef der maltesischen Polizei wiederum wird direkt vom Regierungschef ernannt: Das mag erklären, wieso es trotz der Enthüllung von Caruana Galizia im Rahmen der Malta Files über die Geheimkonten des Kabinettschefs von Premierminister Joseph Muscat keine Ermittlungen gab. Geldtransfers dieses Kabinettschefs an den Geschäftsführer der beiden führenden Tageszeitungen (ebenfalls über Offshorekonten) wurden von der Geldwäscheagentur der Polizei angezeigt. Ermittlungen gab es aber nicht einmal dann, als Caruana Galizia diese vertraulichen Anzeigen der Öffentlichkeit enthüllte. „Unsere Mutter ist tot, aber durch Ihre Arbeit lebt sie weiter“, dankte einer der Söhne Caruana Galizias den Abgeordneten.