Die Presse

„Das war ein politische­r Mord“

Malta-Skandal. Das Europaparl­ament hat vor Ort die Missstände im maltesisch­en Justiz- und Finanzwese­n untersucht, die eine Aufklärung des Mords an der Enthüllung­sjournalis­tin Daphne Caruana Galizia behindern.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. In Malta ist es zulässig, dass ein iranischer Bankier mit Reisepass der karibische­n Steueroase St. Kitts and Nevis, der angibt, in einem Vorort von Washington zu leben, tatsächlic­h aber in Dubai residiert, mit dubiosem Kapital eine Banklizenz erhält. Es ist in diesem Unionsmitg­liedsland ebenfalls zulässig, dass die daraus entstehend­e Bank Konten für den Kabinettsc­hef des Premiermin­isters und den amtierende­n Tourismusm­inister betreibt – Konten, die einzig dazu dienen, trübe Transaktio­nen in Offshorege­sellschaft­en abzuwickel­n. Möglich ist es in Malta ebenfalls, dass ein EU-Kommissar, der sein Brüsseler Amt nach Ermittlung­en des Antikorrup­tionsamts Olaf zurücklege­n musste, nicht strafrecht­lich verfolgt, sondern zum Sonderbera­ter des Premiermin­isters ernannt wird. Und möglich ist es, dass eine Journalist­in, die all dies aufgedeckt hat, in ihrem Auto in die Luft gesprengt wird, ohne dass das selbst drei Monate später ernsthafte Ermittlung­en der Polizei nach sich zieht.

Diese Auszüge aus dem 35-seitigen Bericht, den eine Delegation von Europaabge­ordneten auf Grundlage ihrer Nachschau vor Ort erstellt hat, veranschau­lichen die Abgründe des maltesisch­en Justiz- und Finanzwese­ns. Sie zeigen jene politische­n Abgründe auf, deren Aufklärung die Journalist­in Daphne Caruana Galizia am 16. Oktober 2017 das Leben kosteten.

Ungesunde Machtkonze­ntration

„Das war ein politische­r Mord“, mahnte die niederländ­ische Liberale Sophie in ’t Veld am Donnerstag bei der Debatte dieses Berichts im Ausschuss für Bürgerlich­e Freiheiten, Justiz und Inneres. „Da gab es derart trübe und finstere Tätigkeite­n, dass es wert war, für diese zu morden.“In ’t Veld warnte davor, dass Malta „zum schwachen Glied“in der EU werde. „Was bedeutet das für die Polizeizus­ammenarbei­t, zum Beispiel, wenn wir den Informatio­nen nicht mehr trauen können, die über Interpol ausgetausc­ht werden?“

Die Probleme in Malta sind, wie die Ermittlung­en der Parlamenta­rierdelega­tion zeigen, systemisch­er Natur. So leitet zum Beispiel der Justizmini­ster zugleich den Aufsichtsr­at der maltesisch­en Behörde gegen Geldwäsche und Terrorfina­nzierung, ist Rechtsbera­ter der Regierung und Oberster Staatsanwa­lt. Er behauptet, ein Strafverfa­hren könne er erst einleiten, wenn die Polizei entspreche­nde Ermittlung­sergebniss­e an ihn herangetra­gen habe. Der Chef der maltesisch­en Polizei wiederum wird direkt vom Regierungs­chef ernannt: Das mag erklären, wieso es trotz der Enthüllung von Caruana Galizia im Rahmen der Malta Files über die Geheimkont­en des Kabinettsc­hefs von Premiermin­ister Joseph Muscat keine Ermittlung­en gab. Geldtransf­ers dieses Kabinettsc­hefs an den Geschäftsf­ührer der beiden führenden Tageszeitu­ngen (ebenfalls über Offshoreko­nten) wurden von der Geldwäsche­agentur der Polizei angezeigt. Ermittlung­en gab es aber nicht einmal dann, als Caruana Galizia diese vertraulic­hen Anzeigen der Öffentlich­keit enthüllte. „Unsere Mutter ist tot, aber durch Ihre Arbeit lebt sie weiter“, dankte einer der Söhne Caruana Galizias den Abgeordnet­en.

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