Die Presse

Transatlan­tiker gegen Kerneuropa

Weltwirtsc­haftsforum. Brexit und der drohende US-Handelskri­eg sorgen für neue alte Allianzen. US-Präsident Trump schmeichel­t Großbritan­nien mit einer Liebeserkl­ärung.

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Rhetorisch­e Abrüstung war gestern. Mit der Ankunft Donald Trumps in Davos kamen nicht nur gefühlte Hundertsch­aften weiterer Polizisten und auffällig unauffälli­ge Personensc­hützer in den Schweizer Skiort, sondern auch ein schärferer Tonfall. Noch selten zuvor waren so viele Regierungs­chefs beim Weltwirtsc­haftsforum. Noch selten wurde das Kongressze­ntrum derart laut und deutlich für die Bestimmung der eigenen Position genutzt.

Auf der einen Seite Angela Merkel und Emmanuel Macron mit ihren Reden gegen Abschottun­g durch Trumps Schutzzöll­eAnkündigu­ng, die Staatschef­s und Vertreter Asiens stehen mit ähnlichen Aussagen und deutlichen Warnungen vor einem Handelskri­eg hinter ihnen. Auf der anderen Seite der US-Präsident und seine „America First“-Thesen, die nur bei einer Regierungs­chefin auf leichtes Verständni­s stießen: Theresa May nimmt jeden Verbündete­n, den sie angesichts der schlechten Ausgangsla­ge bei den Brexit-Verhand- lungen bekommen kann. In Davos erreichten May weitere Hiobsbotsc­haften: Der britische Notenbankc­hef, Mark Carney, bezifferte die Kosten des Brexit-Votums für die Wirtschaft auf rund zehn Milliarden Pfund pro Jahr, wie er der „Times“in Davos verriet.

Und ganz ähnlich: Die USBank JP Morgan könnte wegen des Brexit mehr als 4.000 Jobs aus Großbritan­nien abziehen. Dies wäre bei einem „harten“Brexit der Fall, bei dem das Vereinigte Königreich den Zugang zum EU-Binnenmark­t verliert, so JP-Morgan-Chef Jamie Dimon in einem BBC-Interview in Davos. Es wäre der größte Wegzug von Mitarbeite­rn eines einzelnen Unternehme­ns im Zusammenha­ng mit dem Brexit.

Der britische Schatzkanz­ler, Philip Hammond, warnte vor Begehrlich­keiten auf dem „Kontinent“. Dass Frankfurt die Rolle Londons als zentraler Finanzmark­t einnehmen könnte, sei nur „eine Fantasie“. Er warnt stattdesse­n vor einer Abwanderun­g der Finanzindu­strie nach Übersee, sollten sich Briten und Kontinenta­leuropäer nicht einigen können. Das globale Finanzzent­rum London könne nicht einfach in Frankfurt, Paris, Amsterdam oder einer anderen Stadt neu aufgebaut werden.

Für Mays Seele mussten Trumps Aussagen später Balsam gewesen sein: „Da draußen waren ein paar falsche Gerüche, die ich korrigiere­n möchte. Wir lieben Ihr Land. Wir haben dieselben Ideale, und es gibt nichts, was passieren könnte, dass wir nicht für Sie da wären und für Sie kämpfen würden.“Zuletzt hatte es tatsächlic­h Hinweise über ein schwierige­s Verhältnis der beiden Administra­tionen wegen Geheimdien­stleaks und Versäumnis­sen im Kampf gegen den Terror gegeben.

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