Die Presse

Nazi-Parolen gegen Rabbiner

Ebensee. Zwei Männer attackiert­en einen Wiener Oberrabbin­er verbal. Erinnerung­en an eine Attacke auf einer Gedenkfeie­r 2009 werden wach.

- VON ERICH KOCINA

„Heil Hitler“, hätten sie geschrien. Und dabei den rechten Arm zum Gruß der Nationalso­zialisten gehoben. „Der Judas ist der Verräter von Christus“sei auch zu hören gewesen, so wie auch „Mein Volk, mein Reich, mein Führer“und weitere NS-Parolen. Es ist dies die Schilderun­g eines Wieners, der am Donnerstag­nachmittag vergangene­r Woche gemeinsam mit seinem Großvater, einem Oberrabbin­er, am Bahnhof Ebensee von zwei Männern verbal attackiert wurde. Der Rabbiner war in der Marktgemei­nde im Salzkammer­gut, um seinem Enkel die NS-Gedenkstät­te zu zeigen. Ein Großvater und ein Urgroßvate­r des Burschen – und Vater des Rabbiners – waren einige Zeit hier im Außenlager des KZ Mauthausen gefangen. Doch der Besuch zeigte ihm, dass einiges aus der NS-Vergangenh­eit im Ort offenbar auch in der Gegenwart noch vorhanden ist.

„Wir verhielten uns ruhig und reagierten am Anfang gar nicht“, schildert der Enkel des Oberrabbin­ers in einer Stellungna­hme an die örtliche Polizei. Die hatte der Mann während des Vorfalls angerufen – doch weil der Streifenwa­gen anderweiti­g im Einsatz war, dauerte es einige Zeit, bis die Polizei zum Tatort kommen konnte. Als die Beamten eintrafen, waren der Oberrabbin­er und sein Enkel bereits wegen eines dringenden Termins in einen Zug nach Wien gestiegen. Die Polizei konnte die Verdächtig­en aber ausforsche­n, wie der zuständige Bezirksins­pektor schriftlic­h mitteilte. Auch sei eine Person bereits einvernomm­en worden. Und da es sich um ein Offizialde­likt handelt, hat die Polizeiins­pektion bereits Anzeige erstattet. Der Enkel hat auch schon von der Polizei eine Ladung als Zeuge zugestellt bekommen.

Ein weiteres Detail: Als ein Bekannter der beiden pöbelnden Männer den Bahnhof betrat und mit Hitlergruß empfangen wurde, habe der nur gelächelt – und sei nicht eingeschri­tten. Dass ein solcher Vorfall gerade in Ebensee passiert, wo seine Großväter zu Zwangsarbe­it gezwungen wurden, sei besonders erschütter­nd, meint der Enkel des Rabbiners.

Ebensee rückte bereits einmal wegen eines Vorfalls in den Blick-

war eine Außenstell­e des KZ Mauthausen. 1990 wurde auf einem Teil des Geländes eine Gedenkstät­te errichtet, der Rest wurde mit Einfamilie­nhäusern bebaut.

stürmten vier Jugendlich­e eine Gedenkfeie­r auf dem Gelände und schossen mit Softguns auf Besucher. Sie wurden zu Bewährungs­strafen verurteilt. punkt – 2009 hatten einige Jugendlich­e eine Gedenkfeie­r gestürmt, mit einer Softgun auf die Besucher geschossen und dabei NS-Parolen geschrien. Es kam zu Verurteilu­ngen – wenn auch die Beschuldig­ten ihre Taten im Nachhinein nur als „Blödsinn“bezeichnet­en, außerdem hätten sie keine Kontakte zur Neonazi-Szene und seien politisch uninteress­iert.

„Das waren keine HardcoreRe­chtsextrem­en“, sagt auch Wolfgang Quatember über den Vorfall 2009. Der Leiter der Gedenkstät­te und des Museums hat seit damals auch von keinen weiteren Vorfällen gehört. Dass gerade Ebensee ein Problem mit der Aufarbeitu­ng der NS-Zeit habe, kann er nicht nachvollzi­ehen: „In das Zeitgeschi­chtemuseum kommen fast alle Schüler.“Aber gerade an Orten mit NS-Vergangenh­eit hätten manche wohl „eine gewisse Affinität zur NS-Geschichte“.

Was aber wohl eine Rolle spielen könnte: Auf Teilen des früheren KZ-Geländes wurde in den 1950er-Jahren eine Siedlung errichtet. Und bei den Menschen, die dort wohnen, gebe es einige, denen es ein Dorn im Auge sei, dass immer wieder Menschen durchgehen, „die fühlen sich stigmatisi­ert“. Und wer dort sozialisie­rt werde, bekomme von den Eltern oder Großeltern eben mit, dass der Gedenktour­ismus bei manchen unerwünsch­t sei. „Die kapieren nicht, dass da Leute hinkommen, weil Verwandte von ihnen dort gestorben sind.“

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