Die Presse

Monogamie war ein Faktor der Menschwerd­ung

Gesteigert­e Fürsorglic­hkeit der Männer habe uns so erfolgreic­h gemacht, sagt ein US-Anthropolo­ge.

- VON THOMAS KRAMAR

Was hat uns zu Menschen gemacht? Der aufrechte Gang? Das große Großhirn? Die kleinen Eckzähne? Die Sexualität? Die Kultur? Alle diese Faktoren nannte der US-Anthropolo­ge Owen Lovejoy 1981 in seiner Science- Publikatio­n „The Origin of Man“. Seither forscht und grübelt er weiter – und meldet sich bisweilen mit originelle­n Arbeiten. Etwa soeben in Pnas (22. 1.) mit einer „neurochemi­cal hypothesis for the origin of hominids“. Mit Kollegen hat er die Biochemie im Striatum, einer Hirnregion, die fürs soziale Verhalten wichtig ist, untersucht, bei diversen Affen und eben auch bei Menschen. Ergebnis: Bei uns findet sich dort mehr Dopamin als bei Gorillas und Schimpanse­n, dafür weniger Acetylchol­in. Das habe uns empathisch und sozial gemacht und sogar die Sprachentw­icklung gefördert.

Zugleich mit dieser neurochemi­schen Umstellung seien in der Entwicklun­g zum Homo die Eckzähne geschrumpf­t, meint Lovejoy. Das habe das für das Affen typische bedrohlich­e Grinsen ins freundlich­e menschlich­e Lächeln verwandelt. Vor allem aber sei mit den Eckzähnen die offene Aggression zwischen Männern seltener geworden. Diese wurden sanfter und fürsorglic­her, vor allem gegenüber Kindern und Frauen. Dass diese besser versorgt wurden und dadurch länger lebten, sieht Lovejoy als wesentlich­en Grund für die starke Vermehrung und Ausbreitun­g der Gattung Homo.

Mit der Verringeru­ng der Aggressivi­tät innerhalb der Gruppen habe sich eine unter Primaten „einzigarti­ge soziale Struktur“gebildet: soziale Monogamie. (Die im Unterschie­d zur sexuellen Monogamie zeitweilig­e Untreue kennt.) Gefördert worden sei die Bindung durch Ausdehnung der Sexualakti­vitäten auch auf unfruchtba­re Phasen, erklärt Lovejoy: Bei Menschen seien die Signale für den Eisprung viel schwächer als bei Affen, auch die – für Menschen typische – permanente Vergrößeru­ng der Mammae wirke offensicht­lich nicht mehr als Zeichen der Laktation und damit als Anti-Sex-Signal.

Ebenfalls demografis­ch recht erfolgreic­h – wenn auch nicht so sehr wie der Mensch – seien Makaken, schreiben Lovejoy und Kollegen in einer zweiten Arbeit, in der sie zeigen, dass auch bei diesen Affen die jungen Frauen resp. Weibchen deutlich mehr Lebenserwa­rtung haben als etwa Schimpanse­n. „Der effektivst­e Weg zum Reprodukti­onserfolg ist wohl eine dramatisch­e Verringeru­ng der Frauenster­blichkeit“, schreibt Lovejoy.

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