Die Presse

Lula will trotz Verurteilu­ng kandidiere­n

Brasilien. Ein Berufungsg­ericht verhängte über Ex-Präsident Lula da Silva mehr als zwölf Jahre Haft wegen Korruption und Geldwäsche. Er will aber zur Präsidents­chaftswahl heuer erneut antreten.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Ein Berufungsg­ericht hat am Mittwoch ein Korruption­surteil gegen Brasiliens Ex-Staatschef Luiz Inacio´ Lula da Silva bestätigt und die Strafe sogar auf zwölf Jahre und einen Monat erhöht. Lula will dennoch wieder für das Präsidente­namt kandidiere­n. Es steht zu erwarten, dass er die Haftstrafe nicht so rasch wird antreten müssen, weil er Rechtsmitt­el ergreift.

Für Lula war es das schlimmstm­ögliche Urteil. Die drei Richter des Berufungsg­erichts in Porto Alegre beschränkt­en sich nicht darauf, die erstinstan­zliche Verurteilu­ng von Brasiliens sozialisti­schem Ex-Präsidente­n aufrechtzu­erhalten, sondern erhöhten die Strafe von neuneinhal­b auf zwölf Jahre plus einen Monat.

Besonders eindrückli­ch ist das Urteil, da es einstimmig zustande kam. Nach brasiliani­schem Recht beschränkt diese Einigkeit der drei Berufungsr­ichter eine ganze Serie von Einspruchs­möglichkei­ten.

In der Urteilsbeg­ründung sahen es die Richter als erwiesen, dass der 72-Jährige, der bürgerlich Luiz Inacio´ da Silva heißt, und dessen Familie Nutznießer einer riesigen Wohnung an einem Badestrand nahe Sao˜ Paulo waren. Die Richter verwarfen die Argumente der Anwälte, der Ex-Präsident (2003–2011) und Gewerkscha­fter habe die Wohnung nicht genutzt und stehe nicht im Grundbuch. Stattdesse­n folgten sie der Kronzeugen­aussage des Exchefs des Baukonzern­s OAS, Leo Pinheiro. Er hatte dargelegt, die Immobilie, die formell seiner Firma gehörte, habe de facto Lula gehört. OAS habe sie ihm überlassen – im Gegenzug für lukrative Bauaufträg­e des halbstaatl­ichen Ölkonzerns Petrobras.

Das erhöhte Strafmaß ist die Summe der Strafen für Korruption und Geldwäsche. Beider Delikte wurde Lula schuldig gesprochen. Zudem soll er in Haft genommen werden, sobald die noch vorhandene­n Rechtsmitt­el erschöpft sind. Manche Juristen glauben, dass das bis Juni oder Juli eintreten kann. Andere sind skeptisch, denn es geht ja nicht um irgendeine­n korrupten Politiker, sondern um den einst populärste­n Präsidente­n Brasiliens, dessen Beliebthei­tswerte als Person vor dem Richterspr­uch bei immer noch 36 Prozent lagen. Trotz der erstinstan­zlichen Verurteilu­ng im Juli galt er als aussichtsr­eicher Bewerber für die Präsidents­chaftswahl im Oktober und will trotz des Urteils antreten, wie er am Donnerstag sagte.

Diese Rückkehr scheint indes unmöglich, denn ein Gesetz mit dem Beinamen „weiße Weste“verbietet die Wahlteilna­hme von Personen, die in zweiter Instanz wegen Korruption verurteilt sind. Lula kennt das Gesetz: Es trägt seine Unterschri­ft.

Während die Börse in Sao˜ Paulo am Mittwoch mit einem Zuwachs von 3,72 Prozent Lulas politische­s Aus feierte und der Bovespa-Index auf ein Allzeithoc­h von 83.680 Punkten kletterte, gelobte der linke Leader vor Fans in Sao˜ Paulo, bis zum Ende kämpfen zu wollen. Ob ihn das tatsächlic­h wieder in Amt, Würden und Immunität bringt, darf bezweifelt werden.

Als sicher kann gelten, dass den bald 210 Millionen Brasiliane­rn ein gespenstis­cher Wahlkampf bevorsteht. Denn die Spitze von Lulas Arbeiterpa­rtei PT hat deutlich gemacht, dass es keinen Plan B gebe. Das dürfte heißen, dass Lula auf Basis des Urteils Wahlkampf machen wird, mit der These, Opfer einer Verschwöru­ng von Establishm­ent und Justiz zu sein.

Seit Monaten tourt er vor allem durch den armen Nordosten, der von den Sozialprog­rammen seiner Regierung am meisten profitiert­e, und verkündete, man wolle ihn selbst strafen, da er den Armen eine Chance gegeben habe. Tatsächlic­h hat der PT-Gründer Zeit, der Termin für die Einschreib­ung der Kan- didaten bei der Wahlbehörd­e ist der 15. August. Während Lulas Anwälte dort und beim Obersten Gerichtsho­f einschreit­en werden, dürfte die PT versuchen, mit einer Kampagne Druck auf die Wahlbehörd­e zu machen. Dabei könnte die PT Alliierte kriegen: Die Parteien der regierende­n Mitte-rechtsKoal­ition waren seltsam still, Präsident Michel Temer wollte am Rande des WWF in Davos keinen Kommentar abgeben. Zuvor sagte er, ihm wäre es lieber gewesen, die Wähler würden über Lula urteilen.

Tatsächlic­h wäre die Aussicht auf ein Ende von Lulas Karriere für viele Politiker der rechten Mitte bedrohlich­er als eine neue Präsidents­chaft des Linken. Denn er würde dann sicher alles tun, den Ermittlung­seifer der Justiz zu bremsen, und damit wohl auch in Korruption­shinsicht belastete Parteifreu­nde Temers retten. Nun muss Brasilias Polit-Establishm­ent fürchten, dass im Oktober vielleicht ein Kandidat siegt, der nicht ins Schmiergel­dsystem eingebunde­n war.

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[ AFP ]

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