Die Presse

Das FPÖ-Dilemma Heinz-Christian Strache möchte unbedingt beweisen, dass seine Partei regierungs­fähig ist. Doch Burschensc­haften wie die Germania machen ihm das Leben schwer. Droht der FPÖ ein zweites Knittelfel­d?

- VON THOMAS PRIOR [ Alex Halada/picturedes­k.com ]

Eigentlich sollte der diesjährig­e Akademiker­ball in der Wiener Hofburg etwas Besonderes für Heinz-Christian Strache werden. Beim traditione­llen Tanz der Corpsstude­nten und Burschensc­hafter, dem Hausball der FPÖ, wollte sich der Parteichef feiern lassen. Immerhin ist er ja jetzt Vizekanzle­r.

Aber so richtig darauf freuen konnte sich Strache dann doch nicht. Noch vor Beginn des Balls, gegen den erneut heftig demonstrie­rt wurde, sah er sich gezwungen, die Botschaft seiner Eröffnungs­rede zu publiziere­n, um einige Dinge auch in der Öffentlich­keit klarzustel­len: Für Antisemite­n, schrieb er in einer Aussendung, sei weder in der FPÖ noch auf dem Akademiker­ball Platz. Das Gedenken an die HolocaustO­pfer sei „Verpflicht­ung und Verantwort­ung in der Gegenwart und für kommende Generation­en“. Wer das anders sehe, solle aufstehen und gehen. „Er ist bei uns nicht erwünscht.“

Anlass für diese Zeilen waren antisemiti­sche und die NSZeit verherrlic­hende Strophen im Liederbuch der Germania Wiener Neustadt. Jener Burschensc­haft, in der Udo Landbauer, FPÖ-Spitzenkan­didat bei der Niederöste­rreich-Wahl am Sonntag, bis vor einigen Tagen Vizeobmann war. Gerade im Vorfeld des Holocaust-Gedenktags am Samstag habe der Vizekanzle­r „klare und deutliche Worte“gefunden, hieß es aus der FPÖ-Zentrale. Offenbar war der Druck zu groß geworden, auch vom Koalitions­partner.

Doch Heinz-Christian Strache steckt in einem Dilemma. Zum einen möchte er unbedingt beweisen, dass die FPÖ regierungs­fähig ist. Zum anderen hat sich die Partei nie ihrer problemati­schen, braun schimmernd­en Teile in der zweiten und dritten Reihe entledigt, die Straches Wandlung zum Staatsmann mit regelmäßig­en Skandalen unglaubwür­dig erscheinen lassen.

In diesem Spannungsf­eld liegt eine weitere Gefahr für den FPÖ-Chef. Im Regierungs­alltag zeigt sich, wie schwierig es ist, den freiheitli­chen Kurs zu halten. Anders als in der Opposition, in der ihre Forderunge­n nie einem Realitätsc­heck unterzogen wurden, ist die FPÖ-Spitze nun zu Kompromiss­en mit der ÖVP verdammt. Was das Risiko erhöht, Parteifreu­nde zu vergrämen. Es wäre nicht das erste Mal, dass es zu einem Basisaufst­and gegen die Regierungs­mannschaft kommt. Niemand weiß das besser als Strache. 2002, beim folgenschw­eren Parteitag in Knittelfel­d, war er einer der Rädelsführ­er.

Die Missverstä­ndnisse häufen sich

Seit dem Regierungs­eintritt im Dezember häufen sich die Probleme in der FPÖ, was Strache daran hindert, sein neues Dasein als Sportminis­ter noch intensiver zu zelebriere­n. Wenn er nicht gerade auf der Ehrentribü­ne in Kitzbühel oder Schladming sitzt, ist er damit beschäftig­t, Missverstä­ndnisse und angebliche Fehlinterp­retationen durch böswillige Medien und Mitbewerbe­r wie die „Jammersozi­alisten“richtigzus­tellen.

Es begann mit den Reformplän­en zum Arbeitslos­engeld. ÖVP und FPÖ wollen spätestens nächstes Jahr die Notstandsh­ilfe abschaffen. Langzeitar­beitslose fallen dann in die Mindestsic­herung, bei der der Staat auf ihr Vermögen zugreifen kann. Innerhalb der FPÖ formierte sich Widerstand, weil das große Teile ihrer Wählerscha­ft beträfe. Und deshalb sah sich Strache bemüßigt, die Dinge geradezurü­cken: Niemand, der unverschul­det seinen Job verliere, müsse um sein Vermögen fürchten.

Danach produziert­e ausgerechn­et Innenminis­ter Herbert Kickl unerfreuli­che Schlagzeil­en. Zuerst mit dem Plan, Asylwerber „konzentrie­rt“in Grundverso­rgungszent­ren unterbring­en zu wollen. Und diese Woche dann, indem er Ermittlung­en gegen seinen Parteifreu­nd Udo Landbauer aus- schloss. Kickl fühlte sich ungerecht behandelt: Die Formulieru­ng „konzentrie­rt“sei keine bewusste Provokatio­n gewesen. Und im Fall Landbauer habe er lediglich seinen Wissenssta­nd wiedergege­ben, wonach gegen unbekannte Täter ermittelt werde.

Wenig später, am Donnerstag­abend, war wieder Strache an der Reihe. Der „Spiegel“hatte berichtet, der FPÖ-Chef sei im Vorjahr bei der 100-Jahr-Feier der Germania in Wiener Neustadt geehrt worden. „Fake News“, schimpfte der Vizekanzle­r. Er sei nicht bei der Germania, sondern beim Burschenta­g des Pennäler-Rings gewesen – der zu Ehren der Germania in Wiener Neustadt stattfand.

Inwieweit der Liederbuch­skandal der FPÖ geschadet hat, wird sich bei der Landtagswa­hl am Sonntag weisen. Bis vor Kurzem wurde ihr in Niederöste­rreich noch ein sattes Plus von mehr als zehn Prozentpun­kten prognostiz­iert, ausgehend allerdings von einem niedrigen Niveau (2013 reichte es nur zu acht Prozent). Strache versuchte am Freitag, möglichst viele Stimmen ins Ziel zu retten: Die Korporatio­nen und das Dritte Lager sollten ihre Vergangenh­eit von einer Historiker­kommission aufarbeite­n lassen. Wie diese Forderung auf dem Akademiker­ball aufgenomme­n wurde, blieb ein Geheimnis.

Für Antisemite­n gibt es weder in der FPÖ noch auf dem Akademiker­ball einen Platz. Heinz-Christian Strache, Vizekanzle­r und FPÖ-Chef

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria