Das FPÖ-Dilemma Heinz-Christian Strache möchte unbedingt beweisen, dass seine Partei regierungsfähig ist. Doch Burschenschaften wie die Germania machen ihm das Leben schwer. Droht der FPÖ ein zweites Knittelfeld?
Eigentlich sollte der diesjährige Akademikerball in der Wiener Hofburg etwas Besonderes für Heinz-Christian Strache werden. Beim traditionellen Tanz der Corpsstudenten und Burschenschafter, dem Hausball der FPÖ, wollte sich der Parteichef feiern lassen. Immerhin ist er ja jetzt Vizekanzler.
Aber so richtig darauf freuen konnte sich Strache dann doch nicht. Noch vor Beginn des Balls, gegen den erneut heftig demonstriert wurde, sah er sich gezwungen, die Botschaft seiner Eröffnungsrede zu publizieren, um einige Dinge auch in der Öffentlichkeit klarzustellen: Für Antisemiten, schrieb er in einer Aussendung, sei weder in der FPÖ noch auf dem Akademikerball Platz. Das Gedenken an die HolocaustOpfer sei „Verpflichtung und Verantwortung in der Gegenwart und für kommende Generationen“. Wer das anders sehe, solle aufstehen und gehen. „Er ist bei uns nicht erwünscht.“
Anlass für diese Zeilen waren antisemitische und die NSZeit verherrlichende Strophen im Liederbuch der Germania Wiener Neustadt. Jener Burschenschaft, in der Udo Landbauer, FPÖ-Spitzenkandidat bei der Niederösterreich-Wahl am Sonntag, bis vor einigen Tagen Vizeobmann war. Gerade im Vorfeld des Holocaust-Gedenktags am Samstag habe der Vizekanzler „klare und deutliche Worte“gefunden, hieß es aus der FPÖ-Zentrale. Offenbar war der Druck zu groß geworden, auch vom Koalitionspartner.
Doch Heinz-Christian Strache steckt in einem Dilemma. Zum einen möchte er unbedingt beweisen, dass die FPÖ regierungsfähig ist. Zum anderen hat sich die Partei nie ihrer problematischen, braun schimmernden Teile in der zweiten und dritten Reihe entledigt, die Straches Wandlung zum Staatsmann mit regelmäßigen Skandalen unglaubwürdig erscheinen lassen.
In diesem Spannungsfeld liegt eine weitere Gefahr für den FPÖ-Chef. Im Regierungsalltag zeigt sich, wie schwierig es ist, den freiheitlichen Kurs zu halten. Anders als in der Opposition, in der ihre Forderungen nie einem Realitätscheck unterzogen wurden, ist die FPÖ-Spitze nun zu Kompromissen mit der ÖVP verdammt. Was das Risiko erhöht, Parteifreunde zu vergrämen. Es wäre nicht das erste Mal, dass es zu einem Basisaufstand gegen die Regierungsmannschaft kommt. Niemand weiß das besser als Strache. 2002, beim folgenschweren Parteitag in Knittelfeld, war er einer der Rädelsführer.
Die Missverständnisse häufen sich
Seit dem Regierungseintritt im Dezember häufen sich die Probleme in der FPÖ, was Strache daran hindert, sein neues Dasein als Sportminister noch intensiver zu zelebrieren. Wenn er nicht gerade auf der Ehrentribüne in Kitzbühel oder Schladming sitzt, ist er damit beschäftigt, Missverständnisse und angebliche Fehlinterpretationen durch böswillige Medien und Mitbewerber wie die „Jammersozialisten“richtigzustellen.
Es begann mit den Reformplänen zum Arbeitslosengeld. ÖVP und FPÖ wollen spätestens nächstes Jahr die Notstandshilfe abschaffen. Langzeitarbeitslose fallen dann in die Mindestsicherung, bei der der Staat auf ihr Vermögen zugreifen kann. Innerhalb der FPÖ formierte sich Widerstand, weil das große Teile ihrer Wählerschaft beträfe. Und deshalb sah sich Strache bemüßigt, die Dinge geradezurücken: Niemand, der unverschuldet seinen Job verliere, müsse um sein Vermögen fürchten.
Danach produzierte ausgerechnet Innenminister Herbert Kickl unerfreuliche Schlagzeilen. Zuerst mit dem Plan, Asylwerber „konzentriert“in Grundversorgungszentren unterbringen zu wollen. Und diese Woche dann, indem er Ermittlungen gegen seinen Parteifreund Udo Landbauer aus- schloss. Kickl fühlte sich ungerecht behandelt: Die Formulierung „konzentriert“sei keine bewusste Provokation gewesen. Und im Fall Landbauer habe er lediglich seinen Wissensstand wiedergegeben, wonach gegen unbekannte Täter ermittelt werde.
Wenig später, am Donnerstagabend, war wieder Strache an der Reihe. Der „Spiegel“hatte berichtet, der FPÖ-Chef sei im Vorjahr bei der 100-Jahr-Feier der Germania in Wiener Neustadt geehrt worden. „Fake News“, schimpfte der Vizekanzler. Er sei nicht bei der Germania, sondern beim Burschentag des Pennäler-Rings gewesen – der zu Ehren der Germania in Wiener Neustadt stattfand.
Inwieweit der Liederbuchskandal der FPÖ geschadet hat, wird sich bei der Landtagswahl am Sonntag weisen. Bis vor Kurzem wurde ihr in Niederösterreich noch ein sattes Plus von mehr als zehn Prozentpunkten prognostiziert, ausgehend allerdings von einem niedrigen Niveau (2013 reichte es nur zu acht Prozent). Strache versuchte am Freitag, möglichst viele Stimmen ins Ziel zu retten: Die Korporationen und das Dritte Lager sollten ihre Vergangenheit von einer Historikerkommission aufarbeiten lassen. Wie diese Forderung auf dem Akademikerball aufgenommen wurde, blieb ein Geheimnis.
Für Antisemiten gibt es weder in der FPÖ noch auf dem Akademikerball einen Platz. Heinz-Christian Strache, Vizekanzler und FPÖ-Chef