Der heikle Beweis des Fluchtgrunds Homosexualität
EU-Asylrecht. Psychotests, Pornofilme und allzu intime Fragen sind verboten, um Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung zu bekräftigen.
Wie kann man glaubhaft machen, dass ein Flüchtling in seiner Heimat deshalb verfolgt wird, weil er homosexuell ist? Das jüngste Urteil des Gerichtshofs der EU sorgte am Donnerstag für Schlagzeilen. Denn die Richter hielten fest, dass es nach Unionsrecht verboten sei, die behauptete gleichgeschlechtliche Neigung von Asylwerbern durch psychologische Tests zu prüfen. Ein Nigerianer hatte in Ungarn angegeben, in seiner Heimat als Homosexueller verfolgt zu werden. Die Asylbehörde stellte in seinen Angaben keine Widersprüche fest. Sie ließ aber zusätzlich von einem Psychologen ein Gutachten erstellen, das auf drei Tests fußte: einem Rorschach-Test (dabei muss man einen Farbfleck interpretieren), einem Szondi-Test (dabei muss man Porträts nach Sympathie und Antipathie reihen) und einem Test, bei dem der Asylwerber einen Menschen im Regen zeichnen musste.
Wer die Rechtsprechung des Gerichtshofs studiert, ist von diesem Urteil nicht überrascht. Er setzt enge Schranken für die Ergründung der Frage, ob ein Flüchtling homosexuell ist. Im Dezember 2014 zum Beispiel befand er in den verbundenen Fällen eines Iraners, eines Gambiers und eines Afghanen, die vergeblich in den Niederlanden um Asyl angesucht hatten, dass „im Zweifel zu ihren Gunsten zu entscheiden sei“, wenn ihre Aussagen „für kohärent und plausibel befunden würden und die generelle Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers festgestellt worden sei“. Detaillierte Befragungen „zu den sexuellen Praktiken eines Asylbewer- bers“seien ebenso verboten wie die Akzeptanz von Beweisen, „dass der betreffende Asylbewerber homosexuelle Handlungen vornimmt, sich ,Tests‘ zum Nachweis seiner Homosexualität unterzieht oder auch Videoaufnahmen solcher Handlungen vorlegt“. (Letzteres hatte einer der drei angeboten.)
„Diese Methode ist in österreichischen Asylverfahren nicht Praxis“, sagte Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, auf Anfrage der „Presse“. „Es gilt individuell die Plausibilitätsprüfung.“Die Asylbeamten würden in gezielten Fragetechniken geschult. „Sexualpsychologische Gutachten zum Vorliegen einer besonderen sexuellen Ausrichtung werden vom Bundesamt weder in Auftrag gegeben noch gefordert, da deren Aussagekraft in der Wissenschaft umstritten ist und eine Begutachtung zudem als diskriminierend empfunden werden kann“, teilte ein Sprecher des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg mit.
Verboten ist übrigens auch die in manchen Unionsmitgliedern zeitweise angewendete Pseudowissenschaft der „Phallometrie“, bei der die Reaktion auf Pornografie gemessen wird. 2013 hatte die damalige Vizepräsidentin der Kommission, Viviane Reding, Tschechien nach Androhung einer Klage beim EuGH diese Methode ausgeredet.
Wie viele Flüchtlinge wegen ihrer Homosexualität in der Union Asyl erhalten, ist unbekannt. Die Statistikbehörde Eurostat erhebt keine Asylgründe, und somit auch nicht die Mitgliedstaaten. „Die Gründe sind nämlich oft nicht klar zuordenbar“, verwies Grundböck darauf, dass oft mehrere Fluchtursachen zugleich vorliegen.