Die Presse

Keiner für alle Fälle: Warum sich die SPÖ jetzt entscheide­n muss

Analyse. Die vor sich hin gärende Partei steht vor einer Richtungsw­ahl. Denn obwohl es anders wirkt, verkörpern Ludwig und Schieder sehr verschiede­ne Konzepte.

- VON ULRIKE WEISER

Nein, schönreden lässt es sich nicht, auch wenn das Michael Häupl nun versucht. Es bleibt ein Zeichen einer, seiner Schwäche und das Resultat schlechter Planung und zu langen Zögerns, dass ein Zweikampf um die Spitze der Wiener SPÖ entstanden ist. Trotzdem ist es gut, dass es so gekommen ist. Denn so konnte nicht mehr aufgeschob­en werden, was in der vor sich hin gärenden Partei schon lang ansteht. Eine echte Richtungse­ntscheidun­g.

Denn so wie Michael Häupl kann sein Nachfolger die Partei nicht mehr führen. So nonchalant. So elegant. Zu elegant. Der scheidende Chef wischte die Widersprüc­he in der Partei je nach Bedarf mit Bonmots, Grant oder Schulterzu­cken weg. Wenn Häupl etwa sagte, er werde einem türkischen Vater „die Ohrwaschel­n abreißen“, wenn der nicht seine Tochter zur Schule schickt, dann verstanden alle, was er meinte. Was das jetzt genau für die Linie zur Integratio­n bedeutete, wusste aber keiner. Weder intern noch extern.

Das Talent für die Häupl’sche Unschärfe besitzen nun aber weder Michael Ludwig noch Andreas Schieder. Und die beiden sind einander auch nicht so ähnlich, wie sie im Wahlkampf uns glauben machen wollten. Trotz des inhaltlich­en Parallelsc­hwungs stehen sie für zwei sehr unterschie­dliche Zukunftsva­rianten:

Michael Ludwig ist Großkoalit­ionär. Er würde 2020 lieber mit der ÖVP als den Grünen regieren. Und er ist aufrichtig überzeugt, dass die SPÖ nur erfolgreic­h sein kann, wenn es ihr gelingt, der FPÖ – so wie die ÖVP das schon getan hat – das Wasser abzugraben und die Blauen auf ihren eigenen Themenfeld­ern zu schlagen: Integratio­n, und sich um „die eigenen Leute kümmern“. Bedeutet das, dass die Wiener SPÖ ein Stück von links weiter rechts in die Mitte rückt? Ja.

Es bedeutet auch Applaus vom Boulevard. In der Stadtregie­rung würde Ludwig ziemlich umbauen – und auch Häupls Vertraute nicht schonen. Ludwigs Wahl wäre damit ein Bruch mit der Ära des Vorgängers.

Das wäre bei Andreas Schieder anders – er ist der Kandidat des Großteils der jetzigen Stadtregie­rung und des Parteimana­gements in der Löwelstraß­e (das peinlicher­weise schon Sieger-Plakate drucken ließ). Schieder würde deshalb pragmatisc­h da anknüpfen, wo Häupl aufgehört hat: schauen, ob noch einmal Rot-Grün geht und vor allem auf das setzen, womit Häupl 2001 und 2005 die Absolute zurückgewo­nnen hat: die Abgrenzung von (Türkis-)Blau und das Ausschöpfe­n des grünen Stimmentei­chs. Die Wiener SPÖ würde ideolo- gisch zirka dableiben, wo sie jetzt ist. Die Gretchenfr­age für die Partei lautet: Welches Konzept wird erfolgreic­her sein? Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Für Ludwigs Ansatz spricht, dass er etwas einlösen will, was sich die SPÖ zumindest in der Theorie immer vornimmt: die Rückerober­ung der FPÖ-Wähler, der roten Kernwähler. Dort gäbe es viel zu holen, viel aufzuholen.

Allerdings hat es einen Grund, warum die SPÖ mit ihren diesbezügl­ichen Ankündigun­g bisher nie richtig ernst gemacht hat. Denn im Wahlkampf-Finish drückt Rot gern (zuletzt auch im Nationalra­tswahlkamp­f ) die Anti-Blau-Taste. Und die funktionie­rte bisher verlässlic­h. Deshalb flehen die Grünen die SPÖ ja regelrecht an, sich bitte stattdesse­n wieder auf den Arbeiter und dessen Probleme zu besinnen.

Ludwigs Nachteil ist, dass er diesen Anti-Blau-Turbo beim WienWahlka­mpf 2020 nicht so richtig zünden könnte. Seine Strategie gegen die FPÖ ist nun einmal eine andere. Schieder dagegen könnte das sehr wohl – hätte dann aber vermutlich keinen grünen Koalitions­partner mehr.

Zugegeben, das Problem der SPÖ ist letztlich ein Allerwelts­dilemma, das sie mit allen Parteien teilt, deren Wähler unterschie­dliche Dinge wollen. Auf die Dauer kann man nicht alle Gruppen exakt gleich bedienen. Da geht es der ÖVP nicht anders, die Türkisen haben etwa in Kauf genommen, dass christlich motivierte Wähler bei einigen ihrer Ideen zusammenzu­cken. Auch die SPÖ muss entscheide­n, wer Priorität hat. Klischeeha­ft vereinfach­t: das Modell Flächenbez­irk- oder das Modell Innenbezir­k-Bewohner.

Das ist nicht leicht, wie Neo-Opposition­schef Christian Kern gerade im Bund recht deutlich merkt.

An einem Tag zieht Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher zornig gegen den „Arbeiterve­rrat“der FPÖ und gegen mehr Zuwanderun­g ins Feld. Am Tag darauf ist der Parteichef mit Beseitigun­g der heftigen, internen Flurschäde­n beschäftig­t. Ein ziemlich mühsames Hin und Her.

In der Wiener SPÖ hat man deshalb im Wahlkampf die simple Losung ausgegeben: Nach dem Landespart­eitag herrscht Einheit. So und so. Denn wer am Wahltag gewinnt, hat Recht, lautet das eherne Gesetz.

Allerdings ist der Wahltag nicht an diesem Samstag. Welches Konzept das richtige für die Zukunft der Wiener SPÖ ist, darüber wird aber nicht von knapp tausend roten Delegierte­n abgestimmt. Sondern von allen wahlberech­tigten Wienern 2020 an der Wahlurne. Und nur wer am „echten Wahltag“gewinnt, der hat rückblicke­nd auch an diesem Samstag gewonnen.

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