Die Presse

„Der Wettbewerb hat gewonnen“

Luftfahrt. Der Chef der Wettbewerb­sbehörde, Theo Thanner, begrüßt Niki Laudas Comeback. Angesichts der Konsolidie­rung in Europas Luftfahrt müsse das Kartellrec­ht überdacht werden.

- VON HEDI SCHNEID

Wer wäre der beste neue Eigentümer für die insolvente AirBerlin-Tochter Niki? Diese Frage möchte Theodor Thanner nicht beantworte­n, auch, weil sie inzwischen rhetorisch ist. Eines sagt er umso deutlicher: „Jeder neue Player auf dem Markt ist gut.“Insofern sieht der Chef der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB) auch den Wiedereins­tieg von Airline-Gründer Niki Lauda sehr positiv: „Der Wettbewerb hat gewonnen“, sagte Thanner am Freitag bei einer Expertenru­nde auf dem Flughafen Wien.

Die Übernahme, die seine Behörde jetzt zu prüfen habe – was laut Thanner „eine leichte Übung“sei – habe auch für den Wirtschaft­sstandort positive Aspekte und sichere viele Arbeitsplä­tze. Letzterer Aspekt sollte denn auch viel mehr in der Bewertung von Übernahmen aus Insolvenze­n berücksich­tigt werden.

Vor allem aber hofft Thanner, dass infolge der Konkurrenz durch die neue Airline Laudamotio­n die Ticketprei­se wieder nach unten gehen. Die gesamte LufthansaG­ruppe (inklusive AUA, Swiss und Eurowings) hat in Wien an die 64 Prozent Marktantei­l. Dieser „sehr hohe“Anteil werde sich zwar durch Laudamotio­n nicht gleich wesentlich ändern. „Aber wir haben im Zuge der Übernahmed­iskussion gesehen, dass Wien auch von anderen Fluglinien wie Wizz, Ryanair, Easyjet und Vueling mehr Aufmerksam­keit geschenkt wird.“

Eigentlich müsste man meinen, dass in Europas Luftverkeh­r genügend Konkurrenz herrscht. Was übrigens von den Airline-Managern auch durch die Bank behauptet wird. Während es in Europa nicht weniger als 217 Fluggesell­schaften gibt, listet die BWB für die USA nur 100 Airlines auf – bei einer etwa gleich großen Bevölkerun­g. Diese Fragmentie­rung spiegelt auch ein Vergleich der Marktantei­le wider: Während die fünf größten US-Airlines (American, Delta, United, Southwest und Alaska) gemessen an angebotene­n Sitzen zusammen 85 Prozent des Markts dominieren, kommen die fünf größten europäisch­en Spieler (Ryanair, Easyjet, Turkish, Lufthansa und SAS) auf 45 Prozent.

Das sei gut so, argumentie­rt Thanner, obwohl er überzeugt ist, dass die Marktberei­nigung in Europa vor allem in Fällen wie der Alitalia Sinn hat. Denn in den USA seien die Ticketprei­se gestiegen und die Qualität sei gesunken.

Thanner setzt gleich ein großes „Aber“nach: Die Lufthansa habe auf etlichen europäisch­en Routen, vor allem innerhalb Deutschlan­ds, ein Quasimonop­ol. Schon die Übernahme per Leasing von 38 Air-Berlin-Flugzeugen samt Crews durch die Lufthansa zu Jahresbegi­nn 2017 habe die Dominanz der Lufthansa verstärkt. Dann sei die gesamte Air Berlin weggefalle­n.

Warum haben die Kartellbeh­örden das nicht verhindert? „Miete bzw. Leasing unterliegt nicht dem Kartellrec­ht“, erklärt Thanner. Der Plan der Lufthansa, die Reste von Air Berlin samt Niki zu übernehmen, wurde von der EU „in enger Zusammenar­beit mit uns“verhindert. „Ich verstehe nicht, wie die Lufthansa annehmen konnte, dass das durchgewun­ken wird“, meint der oberste heimische Wettbewerb­shüter. Dass ihm nun von der Lufthansa der Schwarze Peter zugeschobe­n werde – vor allem nach seiner Aussage, die Lufthansa fliege um das Kartellrec­ht herum – damit könne er leben. Die Frage, ob er verhindern würde, dass Lauda die Laudamotio­n an die Lufthansa weiterverk­auft, quittiert Thanner nur mit einem Schmunzeln.

Angesichts des stark wachsenden Luftverkeh­rs – 2017 stieg die Zahl der Passagiere weltweit um 7,1 Prozent auf 4,1 Milliarden, in Europa um 5,9 Prozent auf eine Milliarde – sieht Thanner noch Platz für Wettbewerb. Dafür sorgen vor allem die Billig-Airlines.

Im Hinblick auf die Konsolidie­rung in Europas Luftfahrt plädiert Thanner dafür, das „Kartellrec­ht generell zu überdenken“. Nicht nur in der Luftfahrt hinkten gesetzlich­e Bestimmung­en der Entwicklun­g hinten nach – der Bereich Online-Werbung sei ein ebenso gutes Beispiel. „Wir müssen im Kartellrec­ht viel mehr die gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­gen berücksich­tigen.“

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[ Reuters ]

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