Wenn Kaiser und Erzherzöge auf Reisen gehen
Reisen von Herrschern konnten vielen Zwecken dienen: etwa der Visitation, dem Kennenlernen von Land und Leuten, der Teilnahme an Feierlichkeiten – und immer auch der Repräsentation.
Im Mittelalter war stetes Reisen für Herrscher ganz normal. Beim „Wanderkönigtum“wurden die Hofhaltung und der gesamte Staatsapparat regelmäßig von einem Ort zum nächsten verlegt. Dadurch war auch die Repräsentation des Herrschers in weiten Teilen seines Reichs gesichert. In der Neuzeit, als die Höfe fix an zentralen Orten angesiedelt wurden, änderte sich das: Die Repräsentation musste dann auf andere Weise erfolgen – unter anderem auf symbolische Weise durch Kunst, Kultur, Militär oder öffentliche Bauten.
Manche Herrscher (etwa Joseph II. oder Franz Joseph I.) gingen dennoch regelmäßig auf Reisen – zum einen, um den Untertanen leibhaftig zu zeigen, wer das Sagen hatte, zum anderen aus Interesse an Land und Leuten und der Wirtschaft des Reichs. Andere Herrscher wiederum waren ziemlich reisefaul (zum Beispiel Maria Theresia), sie unternahmen nur die notwendigsten Reisen, etwa zu Krönungen, Huldigungen oder Vermählungen ihrer Kinder.
Die meisten Reisen dienten jedenfalls mehreren Zwecken. „Sie wurden sehr gut vorbereitet und geplant“, erläutert der Kunsthistoriker Werner Telesko, der aktuell an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ein FWF-Projekt zur Herrscherrepräsentation leitet (siehe Artikel oben). Bevor z. B. Josef II. Wien verließ, wurden lange Listen an Fragen und Themen aus dem administrativen und wirtschaftlichen Bereich ausgearbeitet.
Interesse an der Welt abseits der Hofburg und der Schlösser rund um Wien hatte auch Franz Stefan von Lothringen, der Gemahl Maria Theresias. Obwohl er formal Kaiser war, interessierte ihn das Herrschen nur am Rande; er war stattdessen ein äußerst erfolgreicher Unternehmer und scharte führende Wissenschaftler seiner Zeit um sich. Eine gezielte Visitationsreise führte ihn 1751 in die Bergbaustädte Schemnitz und Kremnitz in Oberungarn (heute Mittelslowakei). Er wurde dort mit allen Ehren mit einer Triumphpforte und mit extra geprägten Me- daillen empfangen, demonstrierte durch seine Anwesenheit die Wichtigkeit dieses Teils der Monarchie und kümmerte sich um die Silber- und Kupferbergwerke: Durch gezielte Investitionen in Infrastruktur und Know-how (etwa in eine Bergakademie, einen direkten Vorläufer der Montanuni Leoben) wurde der Abbau hochprofitabel. Diese Einkünfte halfen maßgeblich bei der Sanierung des nach dem Erbfolgekrieg völlig zerrütteten Staatshaushalts.
1764 gab es eine weitere höchstrangige Reise ins oberungarische Bergbauquartier – die ebenfalls nicht nur der Visitation diente: Einerseits sollten die beiden Söhne des Kaiserpaars, König Joseph und Erzherzog Leopold, sowie Schwiegersohn Albert Kasimir von Sachsen den Bergbau als wichtigen Wirtschaftsfaktor und als zentrale Einnahmequelle kennenlernen. Andererseits wurde die Reise auch als politische Machtdemonstration inszeniert: Wie Peter Konecnˇy´ in seinem Beitrag zur Repräsentation der Habsburg-Lothringischen Dynastie ausführt, besuchten die drei Jünglinge auf dem Weg nach Osten den ungarischen Landtag in Pressburg/Bratislava; dort hatte die Ungarische Hofkammer nämlich Ansprüche auf die Bergstädte und deren Einnahmen gestellt – und diese galt es aus Wiener Sicht abzuwehren. Die Sache wurde dadurch verkompliziert, dass die Städte infolge der Theresianischen Reformen um ihre Vorrechte als freie Städte fürchteten.
Ein wichtiger Teil der kaiserlichen Strategie war das Zeigen persönlicher Präsenz vor Ort samt Huldigungsgesten durch die Bergstädte und lokalen Behörden. Diese Huldigungen waren klug konstruiert, beide Seiten wurden angemessen repräsentiert. So gelang es durch die Reise, die Vorrechte des Wiener Hofs einzuzementieren und gleichzeitig das ramponierte Selbstbewusstsein der Bergstädte aufzupäppeln, indem diese als relevante Mitspieler etabliert wurden. (ku)