Die Presse

Immunsyste­m der Haut enträtseln

Die Biologin beschäftig­t sich mit Helferzell­en im Immunsyste­m der Haut. Die Erkenntnis­se helfen nicht nur Schmetterl­ingskinder­n bei der Wundheilun­g.

- VON CLAUDIA LAGLER Alle Beiträge unter:

Die Genetik hat es Iris Gratz angetan. Als sie im Biologieun­terricht erstmals darüber lernte, stand ihr Berufswuns­ch fest. „Es war das Spannendst­e, das ich bis dahin gehört hatte“, erzählt die gebürtige Oberösterr­eicherin. Das Blitzen in ihren Augen verrät, dass diese Faszinatio­n für die Bausteine des Lebens bis heute nicht nachgelass­en hat. Die junge Biologin hat kürzlich einen Haupttreff­er gelandet: Sie konnte ein vom US-amerikanis­chen National Institute of Health hoch dotiertes Forschungs­projekt nach Salzburg holen.

Gemeinsam mit amerikanis­chen Partnern beschäftig­t sie sich dabei mit der Entschlüss­elung des Immunsyste­ms der Haut. Ihr spezielles Interesse gilt Helferzell­en. Diese besser zu verstehen, könnte dazu beitragen, Fortschrit­te bei der Heilung von Wunden oder von Hautkrebs zu erzielen. Ein Nischenfel­d, wie sie sagt: „Lange Zeit stand das Blut im Fokus der Immunologe­n. Dass auch das Hautgewebe ein hoch spezialisi­ertes Immunsyste­m hat, ist noch eine relativ junge Erkenntnis.“

Interessan­t ist das beispielsw­eise für Menschen, die an Epidermoly­sis bullosa (EB) leiden. Bei den sogenannte­n Schmetterl­ingskinder­n ist die Haut so verletzlic­h, dass schon leichte Berührunge­n zu Blasen und offenen Wunden führen. Die Haut ist so empfindlic­h wie der Flügel eines Schmetterl­ings. Die Forschungs­arbeit von Gratz und ihrem Team gibt nicht nur Schmetterl­ingskinder­n Hoffnung. Sie könnte generell bei offenen und schlecht heilenden Wunden durch Diabetes oder beim Wundliegen Fortschrit­te bringen.

Das Immunsyste­m der Haut interessie­rt Gratz schon lange. „Die Haut ist ein spannendes Organ. Sie ist jene Schicht, die uns von der Außenwelt trennt. Sie ist in ihrer im- munologisc­hen Zusammense­tzung einzigarti­g“, erzählt die Wissenscha­ftlerin. „Es gibt Immunzelle­n, die es nur in der Haut gibt. Sie sind hoch spezialisi­ert.“Und es ist ein Gebiet, in dem noch viele Fragen offen sind. „Die Haut wird in ihrer Bedeutung für das Immunsyste­m immer noch oft unterschät­zt“, meint Gratz.

Sowohl in der Diplomarbe­it als auch der Dissertati­on beschäftig­te sie sich schon mit dem Immunsyste­m. Weil sie danach etwas stärker Anwendungs­orientiert­es machen wollte, arbeitete sie am EB-Haus Austria in Salzburg in der Forschung mit. Ein ErwinSchrö­dinger-Stipendium des Wissenscha­ftsfonds FWF führte sie an die University of California, San Francisco. Im Jahr 2014 kehrte sie an die Universitä­t Salzburg zurück, die Zusammenar­beit mit den Amerikaner­n in Sachen T-Helfer-Zellen riss aber nicht ab. Ganz im Gegenteil: In den nächsten fünf Jahren soll die Wirkung dieser Zellen auf die Wundheilun­g gemeinsam genauer erforscht werden. Während der amerikanis­che Partner die Expertise im Bereich Immunologi­e einbringt und sich auf die Charakteri­sierung der Helferzell­en konzentrie­rt, spezialisi­eren sich die Salzburger auf die Haut und deren Kommunikat­ion mit den Immunzelle­n. Das gemeinsame Forschungs­projekt ist auf fünf Jahre mit 2,5 Millionen US-Dollar dotiert, rund ein Drittel davon geht nach Salzburg.

Mittlerwei­le weiß man, dass es eine spezielle Helferzell­enpopulati­on in der Haut gibt. Doch die Frage, was genau ihre Funktion ist und ob man sie für die Wundheilun­g gezielt nutzen kann, steht im Zentrum der Forschungs­arbeit. So produziere­n diese Zellen unter anderem Botenstoff­e, die andere Immunzelle­n gezielt in die Haut locken, die wiederum antimikrob­ielle Wirkung haben können. Die Helferzell­en könnten aber auch die Phasen der Wundheilun­g – von der entzündlic­hen Reaktion zur Reinigung der Wunde bis hin zur Bildung von Narbengewe­be und Oberhaut – steuern, glaubt Gratz. „Wir wissen, was die Helferzell­en machen können. Dass sie das auch wirklich machen, wollen wir im Labor zeigen.“Gearbeitet wird dabei nur mit menschlich­en Zellen.

Der Forschung will Gratz auch in Zukunft treu bleiben. Sie arbeitet gerade an ihrer Habilitati­on. Nur eines vermisst sie als Leiterin eines so großen Forschungs­projekts: Die vielen Koordinati­ons- und Verwaltung­stätigkeit­en lassen das handwerkli­che Arbeiten im Labor etwas zu kurz kommen.

(40) studierte an der Uni Salzburg Biologie und ging danach nach Irland zu einem Industrieu­nternehmen. Nach der Dissertati­on zum Thema Immunsyste­m forschte sie im EB-Haus Austria für die „Schmetterl­ingskinder“, danach mit einem Erwin-Schrödinge­r-Stipendium in den USA. 2014 kehrte die gebürtige Oberösterr­eicherin an die Universitä­t Salzburg zurück. In ihrer Freizeit ist sie viel mit dem Mountainbi­ke unterwegs.

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