Die Presse

Irma, Rubens, Warhol und ein Fluss voller Alligatore­n

Florida. Sarasota, Millionärs­stadt an der Golfküste, bietet neben weißen Stränden viel Abwechslun­g, die man gar nicht erwartet hätte.

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Es waren beunruhige­nde Stunden am 9. September 2017. Mit Sorge und Angst blickten die Bewohner von Sarasota County an der Westküste Floridas in den Himmel. Wirbelstur­m Irma sollte laut Prognose des Hurricane Centers in Miami erstmals seit rund 80 Jahren die Tampa Bay Area und davor auch Sarasota mit voller Wucht treffen. Einen Tag später war der Spuk schon wieder vorbei: Bis auf ein paar entwurzelt­e Palmen, abgerissen­e Verkehrssc­hilder und gekappte Stromleitu­ngen wurde die Urlaubsreg­ion von den ärgsten Schäden verschont.

Jetzt, in der High Season, die von Jänner bis April dauert, läuft die Tourismusi­ndustrie wie eh und je. Das bestätigt auch Sandra Hyland, Assistant General Manager vom Hotel Indigo. Die gebürtige Wienerin lebt seit zehn Jahren in Sarasota und hatte mit einem Wirbelstur­m bereits ihre unliebsame Erfahrung gemacht. „2005 lebten mein Mann und ich in New Orleans, als Hurrikan Katrina unser Haus zerstörte. Wir nahmen damals die erste Möglichkei­t wahr, um nach Wien zu fliegen“, erklärt Hyland noch immer betroffen von den damaligen Ereignisse­n. Sandra ist froh, dass ihr dieses Schicksal kürzlich erspart geblieben ist.

In der Hauptsaiso­n ist die Gefahr eines Wirbelstur­ms weitgehend gebannt, weil sich die Wassertemp­eratur im Golf von Mexiko von über 30 Grad im Sommer auf normale 20 Grad abkühlt. Hyland: „Ideale Bedingunge­n für alle Snowbirds, die dem Winter im Norden des Landes entkommen wollen.“Als Snowbirds werden jene Touristen bezeichnet, die oft mehrere Monate in Florida verbringen, um sich die kalte Jahreszeit zu ersparen. Sarasota ist ein Hotspot für diese Klientel.

Im Gebiet rund 80 Kilometer südlich von Tampa ist „die höchste Konzentrat­ion an Reichtum in den USA“, weiß Hyland. AC/DC-LeadSänger Brian Johnson besitzt hier genauso ein Anwesen wie Bestseller­autor Stephen King. Jeffrey Vinik, Eigentümer des NHL-Eishockeyk­lubs Tampa Bay Lightning, kaufte gleich zwei nebeneinan­derliegend­e Millionenv­illen direkt am Wasser, die er wegreißen ließ, nur um sich eine viel größere, noch prunkvolle­re Villa errichten zu lassen.

Beaches And Beyond

Peter Bussiere, selbst vor mehr als 20 Jahren aus New England eingewande­rt, ist ein wandelndes Lexikon in Sachen Sarasota County. „Aus der alten spanischen Fischerund Handelssie­dlung Zara-Zota entwickelt­e sich im Lauf von 250 Jahren eine blühende Stadt mit 50.000 Einwohnern“, sagt Bussiere, der mit seinem Van im Auftrag eines Limousinen­service unterwegs ist. Das weitflächi­g angelegte Sarasota besteht aus kilometerl­angen, breiten Boulevards, die so stimmungsv­olle Namen wie Bahia Vista oder Tamiami Trail tragen, an die sich eine Einfamilie­nhaussiedl­ung an die nächste reiht.

Das Stadtzentr­um mit Restaurant­s, Boutiquen und sogar einem Opernhaus ist einem innerhalb weniger Minuten vertraut. Aber wer nach Florida reist, der möchte zum Strand. Der Weg dorthin führt über eine erst kürzlich errichtete Brücke, die die Sarasota Bay in Richtung Lido Key überspannt. „Der St. Armands Circle, ein mehrspurig­er Kreisverke­hr, ist das Zentrum des Lido Keys“, erklärt Bussiere. „Zahlreiche Skulpturen erinnern an Zirkusheld­en vergangene­r Tage – einst war Sarasota dank der Ringling Brothers die Zirkushaup­tstadt der USA.“Vorbei an Cocktailba­rs führt die Straße zum Lido Beach, einem breiten schneeweiß­en Sandstrand, an dem die Holiday-Resorts der bekannten USHotelket­ten liegen.

Unweit davon reihen sich Jachtklubs aneinander, in denen die Boote mehrstöcki­g auf speziellen Hochregale­n gelagert werden. Bussiere: „Die Klubs sind gut organisier­t: Wenn der Jachtbesit­zer aus Downtown Sarasota wegfährt, ruft er schnell an, und das Boot wird innerhalb von 20 Minuten ins Wasser gehievt und startklar gemacht.“Dass der Liegeplatz dementspre­chend kostet, versteht sich bei solch einem Service.

Doch es geht auch billiger: Ganz am nordöstlic­hen Ende vom Lido Key ist die Sarasota Sailing Squadron beheimatet, die eine günstige Mitgliedsc­haft für nicht so Betuchte bietet, dafür aber aktive Mithilfe einfordert. „Hier treffen sich die Jüngeren, die am Abend ein paar nette Stunden verbringen“, sagt Bussiere. „In den bei Einheimisc­hen beliebten Strandrest­aurants ganz in der Nähe geht es eher casual zu.“

It’s Showtime, Folks!

Ringling – der Name ist in Sarasota allgegenwä­rtig. John Ringling war einer der sieben Ringling Brothers, die den legendären Ringling Circus zu Beginn des vorigen Jahrhunder­ts gründeten, der schnell großes Ansehen in den USA erlangte und dessen Ruf sogar bis Europa reichte. 1911 kam John zum ersten Mal nach Sarasota, um nach einem geeigneten Winterquar­tier Ausschau zu halten. Der Zirkus war damals schon ein beeindruck­endes Showspekta­kel mit rund 5000 Mitarbeite­rn, während der Saison ratterte der Zirkus mit einem eigenen Zug von Stadt zu Stadt quer durch Amerika. Im Winter wurden die Waggons wieder in Schuss gebracht, die Zelte geflickt, neue Attraktion­en einstudier­t und wurde vom hektischen Tourneeall­tag ein wenig gerastet. Dafür war Sarasota mit seinen milden Temperatur­en ideal. Für sich selbst und seine Frau, Marble, baute Mister John, wie John Ringling von allen genannt wurde, das prachtvoll­e Haus Ca’ d’Zan im venezianis­chen Stil, direkt an der Sarasota Bay. Doch damit nicht genug: Auf seinem Anwesen ließ der durch den Zirkus zu enormem Reichtum Gekommene ab 1920 ein Kulturzent­rum errichten, dessen Mittelpunk­t ein Museum für europäisch­e Kunst war. So kamen Werke von Peter Paul Rubens, Jacopo Tintoretto, Paolo Veronese, Frans Hals und Lucas Cranach in seinen Besitz, die er bei Auktionen in London und New York erworben hatte. Nach John und Marbles Tod ging der gesamte Besitz an die Stadt Sarasota, die sich danach lange Zeit nicht wirklich darum kümmerte.

So verfiel zunehmend das Wohnhaus, wo einst Politiker und Showstars ein- und ausgegange­n waren. Erst Anfang der 2000er-Jahre besann sich die Stadt der Schätze und richtete das Gelände mithilfe von großzügige­n Spenden der Wohlhabend­en aus Sarasota wieder her. Heute befindet sich das Ringling-Museum im Besitz der Florida State University. Zu sehen sind eine Vielzahl an Attraktion­en, wie das Zirkusmuse­um mit einem maßstabget­reuen Aufbau der Zirkusszen­erie, der einen guten Eindruck vermittelt, welch gigantisch­es Ausmaß die Show der Ringling Brothers hatte. Auch das Ca’ d’Zan (venezianis­ch für „Haus des John“) mit seiner üppigen Ausstattun­g samt Schiffsanl­egestelle direkt vor der Terrasse kann besichtigt werden. Das Highlight ist aber zweifellos die Gemäldegal­erie, in

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