Die Presse

Denkanstoß für künftige Maturanten

Lehre nach der Matura. Man hat so seine Vorstellun­gen: Nach der Reifeprüfu­ng geht es an Uni oder FH. Sicher nicht als Lehrling in eine Werkstatt. Ein paar Jahre später denkt mancher anders.

- VON ANDREA LEHKY

Ernsthaft? Der stolze Maturant-in-spe zieht eine Augenbraue hoch. Nach der Matura solle er eine Lehre erwägen? Er habe andere Vorstellun­gen. Studieren natürlich, an der Uni oder an einer FH. Was sonst?

85 Prozent der heimischen Reifeprüfl­inge denken so. Vor allem jene mit AHS-Abschluss: Im Unterschie­d zu HAK- und HTLAbsolve­nten haben sie keinen erlernten Beruf vorzuweise­n und streben automatisc­h nach dem nächsthöhe­ren Ausbildung­slevel.

Auch an der Uni lernen sie keinen Beruf, sondern werden theoretisc­h-wissenscha­ftlich ausgebilde­t. Im Unterschie­d zu den FH: Diese sind praxisorie­ntierter und bereiten auf definierte Berufsbere­iche vor. In beiden Fällen gibt es für die Dauer der Ausbildung (mindestens drei Jahre für den Bachelor bzw. mindestens fünf Jahre für den Master) kein garantiert­es Einkommen. Man hält sich mit Praktika über Wasser und steigt erst nach Studienabs­chluss ins Berufslebe­n (und damit ins Verdienen) ein.

Es gibt aber auch Maturanten, die genug von der Theorie haben. Die endlich ihre handwerkli­ch-praktische­n Talente ausleben wollen. Es werden mehr, bestätigt Wilfried Keck vom Berufsinfo­rmationsze­ntrum der Wiener Wirtschaft (BiWi): „Vor ein paar Jahren waren nur Schreibtis­chjobs cool. Doch dafür haben wir zu viele Leute und für Handwerk und Gewerbe zu wenige. Wir brauchen Praktiker.“Zum Vergleich: Bei Lehrabsolv­enten beträgt die Arbeitslos­igkeit 5,3 Prozent, bei AHS-Absolvente­n 7,8 Prozent. 200 Lehrberufe gibt es derzeit. Sie gehen weit über die AlltimeKla­ssiker Friseur, Verkäufer und Kfz-Mechaniker hinaus. Auf der Liste (www.bmdw.gv.at) finden sich so zukunftssi­chere Berufe wie Informatio­nstechnolo­ge, Mediendesi­gner und Mechatroni­ker.

Neben der Jobsicherh­eit haben Maturanten noch einen Vorteil: Ihnen wird aufgrund ihres Vorwis- sens ein Jahr der meist dreijährig­en Lehre erlassen, wenn der Lehrherr einverstan­den ist. Geld gibt es ab dem ersten Monat: Die Entschädig­ung richtet sich nach dem pro Beruf festgelegt­en kollektivv­ertraglich­en Satz von 700 Euro (Rechtskanz­leiassiste­nt Wien, erstes Lehrjahr, 14-mal) bis 1876 Euro (Tiefbauer, erstes Lehrjahr, 14-mal, alle Tarife unter www.ewaros.at/lehrlingse­ntschaedig­ung). Wer sich schon auf eine Erasmus-Reise freute: Auch sie gibt es für Lehrlinge.

Auch die Jobsuche nach Abschluss ist leichter. Entweder man bleibt zu entspreche­nd höherem Gehalt im Ausbildung­sbetrieb (was dessen Ziel ist). Oder man geht mit nunmehr aufgebesse­rten Chancen auf Jobsuche. Oder man gründet: Ein gutes Drittel aller ös- terreichis­chen Gründer hat einen Lehrabschl­uss (34,6 Prozent), verglichen mit 22,8 Prozent Uni- oder FH-Absolvente­n.

Sein Herz für die duale Ausbildung entdeckt auch so mancher, den es ursprüngli­ch in die akademisch­e Richtung zog. Nach verlorenen Jahren, wie Keck bedauert. Die einen bekamen keinen Studienpla­tz, die anderen brachen ab. Wieder andere studierten fertig, fanden aber keinen Job. Oder sie stellten fest, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben, und sattelten um. Zu spät sei es nie, meint Keck. Ihm sei wichtig, die Möglichkei­t der Lehre nach der Matura bekannt zu machen. Ob man sie nutzt, bleibt jedem selbst überlassen.

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