„Quergeschrieben“von Anneliese Rohrer
Bedeutende Konsequenzen aus dem Landtagswahlkampf in Niederösterreich und der Kampfwahl in der Wiener SPÖ: das Ende von Verbergen und Vertuschen.
Auf den ersten Blick befindet sich Österreich dieses Wochenende im Schatten von zwei, voneinander unabhängigen, Ereignissen in einer eher misslichen Lage: Der Parteitag der Wiener SPÖ heute, Samstag, wird neuerlich das eher gestörte Verhältnis der Parteien zu normalen Mechanismen unterstreichen. Von Kampfabstimmung wird dort die Rede sein, wo es in Wahrheit um die Wahl zwischen zwei Kandidaten geht. Demokratiepolitischer Standard anderswo, aber nicht hier.
Die Landtagswahl in Niederösterreich am Sonntag könnte durch die Vorgänge in der FPÖ und rund um deren Spitzenkandidaten, Udo Landbauer, ein verzerrtes Ergebnis bringen. Jedenfalls wurden alle politischen Inhalte in den letzten Tagen von völlig jenseitigen Gesangespraktiken einer Wiener Neustädter Burschenschaft verdrängt.
Der zweite Blick auf die Ereignisse an diesem Wochenende zeigt jedoch, dass man über die Entwicklungen der vergangenen Tage und Wochen so richtig froh sein sollte. Und auch froh darüber, dass sie so kurz nach der Bildung der neuen Kurz-Strache-Koalition eingesetzt haben. Denn wie meist in der Politik sind die einzelnen Ereignisse weniger entlarvend als die Reaktionen darauf.
Man muss ja nicht so weit gehen und sich bei Heinz-Christian Strache bedanken, dass er Udo Landbauer als Spitzenkandidaten statt Walter Rosenkranz in die Wahlschlacht geschickt hat, aber man sollte froh darüber sein. Denn ohne diese Entscheidung und die damit zusammenhängende „Entdeckung“des Zustands in der Burschenschaft Germania hätte sich die öffentliche Aufmerksamkeit nicht so intensiv auf die deutschnationalen Burschenschaften und ihren Einfluss in der neuen Regierung gerichtet.
Ohne diese wäre vielleicht bis zum nächsten blauen „Sündenfall“genügend Zeit verstrichen, die Positionen der Burschenschaften auszubauen. Ihre Mitglieder machen einen verschwindenden Prozentsatz in der Bevölkerung aus, aber einen beachtlichen in der freiheitlichen Fraktion im Nationalrat. Verwunderte Fragen wurden nicht gestellt. Das wird jetzt anders sein. Die Burschenschaften werden sich an Überprüfungen gewöhnen müssen, die ihnen bisher aufgrund vermeintlicher Bedeutungslosigkeit erspart geblieben sind. Jedes Mitglied in den Kabinetten der FPÖ-Minister oder sonst wo in der Verwaltung wird sich eine Sicherheitsprüfung durch die Medien gefallen lassen müssen. Es wäre für die politische Hygiene ein Vorteil. Und er kommt rechtzeitig. Wenigstens kann später niemand überrascht tun.
Zu begrüßen ist außerdem, dass gerade rechtzeitig der Blick auf die Krisenfestigkeit Heinz-Christian Straches als Vizekanzler freigegeben wurde. Die Behauptung Straches, die FPÖ habe mit den Burschenschaften nichts zu tun, ist der – eines Vizekanzlers unwürdige – plumpdreiste Versuch, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen. Raffiniert sieht anders aus. Dieses Flunkern wird er so bald nicht los. Von Herbert Kickls Agieren als Innenminister ganz zu schweigen; auch das sehr erhellend.
Froh muss man auch über die Entwicklung in der Wiener SPÖ sein. Wie immer die Entscheidung zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder um die Nachfolge Michael Häupls ausfallen wird, die Partei wird sich nicht länger hinter einer gekünstelten Geschlossenheit verstecken können.
Die Tage, in denen ein Schmäh oder verwandtschaftliche Verflechtungen das Morsche in der zu lang herrschenden Wiener SPÖ überdecken konnten, sind ab heute vorbei. Dafür muss man Michael Häupl und seiner Apathie bei der Nachfolge auch dankbar sein. Der Wiener SPÖ wird jetzt nichts anderes übrig bleiben, als sich neu zu erfinden. Ohne diese „Kampfwahl“hätte sie sich noch lang selbst belügen können – und mit ihr die gesamte SPÖ auch im Bund.
So kann die besagte missliche Situation Positives bewirken. Voraussetzung ist der politische Wille dazu – bei der Kontrolle, den Medien, den Parteien.
Die FPÖ hat mit den Burschenschaften nichts zu tun? Ein plump-dreister Versuch Straches, Menschen hinters Licht zu führen.