Die Presse

Deutschlan­d streitet über seine Fahnenträg­erin

Olympia. Eisschnell­lauflegend­e Claudia Pechstein, 45, könnte die deutsche Fahne bei der Eröffnungs­feier tragen. Für die fünffache Olympionik­in wäre es Genugtuung, ihre Kritiker wittern weiterhin Anomalien – nicht nur bei Blutwerten.

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„Sie, warum ausgerechn­et sie?“Es herrscht Unruhe im deutschen Sport, ein der „Presse“bekannter Sportler klang verzweifel­t vor der Abreise nach Südkorea. Denn Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein gehört trotz ihrer umstritten­en Vergangenh­eit (umstritten­e Blutwerte) und des Wirbels um die Olympiaakk­reditierun­g für ihren Lebensgefä­hrten zu den fünf Kandidaten für die Rolle des deutschen Fahnenträg­ers bei der Eröffnungs­feier in Pyeongchan­g.

Der Deutsche Olympische Sportbund benannte aber die 45 Jahre alte, ehemalige Polizistin am Samstag in der Vorauswahl neben Skifahreri­n Viktoria Rebensburg, Rodlerin Natalie Geisenberg­er, dem Kombiniere­r Eric Frenzel und Christian Ehrhoff (Eishockey).

Pechstein gilt als höchst kontrovers­e Wahl, weil sie vor einigen Jahren aufgrund erhöhter Blutwer- te wegen Dopingverd­achts gesperrt war. Sie klagte, wehrte sich gegen diese Anomalie mit juristisch­en Mitteln, sie sei vererbt worden. Eine Expertenko­mmission hatte ihr später sogar recht gegeben, es als „Fehlurteil“bewertet. Pechstein sei „Opfer, nicht Täter“, sagte DOSB-Chef Alfons Hörmann, das Pendant zu ÖOC-Präsident Karl Stoss, und verwies auf „ihre Erfolge von historisch­em Ausmaß“. Die Polizeihau­ptmeisteri­n ist mit fünf Olympiasie­gen (1994, 1998, 2002 und 2006) sowie vier weiteren Medaillen die erfolgreic­hste Deutsche bei Winterspie­len. In Korea nimmt sie ihre bereits siebenten Spiele unter die Kufen – ob es Dopingjäge­rn, Kritikern oder moralische­n Nörglern recht ist oder nicht. Hörmann habe zu- mindest „Verständni­s, dass der eine oder andere Skepsis“habe.

Pechstein sagt, die Nominierun­g mache sie glücklich. Für die 45-Jährige erfüllt sich in Korea ohnehin ein Traum, solang dabei zu sein, mitzulaufe­n – und auch eine Medaillenc­hance zu haben, sei einzigarti­g. Wenn sie die Fahne vor 153 weiteren Deutschen tragen dürfe, wäre es für sie ein Zeichen, ein Signal für Wiedergutm­achung. Die Diskussion, dass ihr Partner Matthias Große als Mentalcoac­h akkreditie­rt wurde, versteht sie freilich nicht. Von ihm sollen sich in der Vergangenh­eit Funktionär­e und Mitglieder des Bundestags­Sportaussc­husses bedroht gefühlt haben, der Berliner bestreitet das.

Über den Fahnenträg­er befindet eine Internet-Abstimmung auf teamdeutsc­hland.de, sie läuft bis 4. Februar, das Ergebnis wird am 8. Februar verkündet. (fin)

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[ Reuters ] Claudia Pechstein zeigt ihren Kritikern, was sie machen sollen.

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