Mehr Objektivität für den Westbalkan, bitte!
Unter der aufgeheizten Oberfläche gibt es in der Region durchaus eine Reihe von Signalen, die Anlass zur Hoffnung geben.
Es wäre schön, wenn wir in Österreich in unserem Verhältnis zu den Westbalkanstaaten zu weniger emotionalen, dafür objektiveren Positionen finden würden. Kontakte zu allem, was Serbisch ist, führt – wie aktuell geschehen – zu einem Entrüstungssturm und zur innenpolitischen Erregung. Alles andere wird, ohne es zu hinterfragen, als korrekt und akzeptabel angesehen, für das wir Verständnis haben müssen.
Etwas mehr ausgewogene Distanz wäre gefragt. Vor allem sollte uns klar sein, dass eine Stabilisierung dieses Teils Südosteuropas ohne die konstruktive Mitwirkung der serbischen Seite unter keinen Umständen möglich sein wird.
Was uns im sogenannten Westeuropa bei der Nennung der sechs Erweiterungsländer des Westbalkans sofort einfällt, sind martialische, ethnonationalistische Auseinandersetzungen, radikale Rhetorik, kompromisslose Fehden der politischen Repräsentanten, Korruption, Extremismus, unfähige Verwaltungen und von den Machthabern abhängige Justizapparate. Das ist das von den westlichen Medien verbreitete Bild, das die Meinung prägt.
Das kommt nicht von ungefähr, wenn man die zahlreichen verbalen Drohgebärden und gegenseitigen Blockaden in diesem Teil Europas zum Maßstab nimmt: Abspaltungsdrohungen wegen Landeshymnen, provozierende Einsprüche gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofs, marginale, aber unlösbar scheinende Grenzkonflikte, gewaltsame Lahmlegungen von Parlamenten, der Versuch, einen Propagandazug in „Feindesland“zu schicken, Verhinderung von Regierungsbildungen usw.
Das sind alles Agitationen, die nur von den eigentlichen riesigen Problemen ablenken sollen. Die Karte der nationalen Ehre sticht im Zweifelsfall immer die Karte der Vernunft. Hohe Arbeitslosigkeit, vor allem bei der Jugend, Fehlen von Investitionen, Reformstau – dort sollten die Energien eigentlich eingesetzt werden.
Obwohl das alles weitgehend für alle Länder und alle Bevölkerungsgruppen dieses Teils Europas zutrifft, wird es bei uns im Wesentlichen nur dann öffentlich hochgespielt, wenn es den sogenannten serbischen Teil betrifft. Obwohl der Nationalismus der anderen ethnischen Gruppen mindestens ebensolche Eskapaden reitet und bei den Bosniaken in BosnienHerzegowina noch ein ausgeprägter Zentralismus und ein provokantes Hegemoniestreben dazukommen.
Und trotzdem: Unter der aufgeheizten Oberfläche geht doch immer wieder einiges weiter, was durchaus zu Hoffnung Anlass gibt. Das merken allerdings nur jene, die sich ernsthaft mit dem Westbalkan auseinandersetzen und nicht nur einseitige Agenturberichte lesen und weitergeben.