Die Presse

Wenn das Flaggschif­f plötzlich den Anker wirft

Fahrberich­t. Zum Roboteraut­o ist der neue Audi A8 noch nicht berufen – auch wenn er da und dort durchaus mitreden möchte. Trotz der Fülle an Funktionen ließ sich die Bedienung erheblich vereinfach­en – keine geringe Leistung.

- VON TIMO VÖLKER

Bei ihren Flaggschif­fen werfen die Nobelherst­eller traditione­ll alles in die Schlacht. Man will mit Innovation­en glänzen, zumindest, bis der Nächste an der Reihe ist. So schrauben sich die Erwartunge­n bei jeder neuen Generation von Audi A8, BMW 7er und Mercedes S-Klasse (am Rande auch Lexus LS) immer weiter in die Höhe.

Der Paukenschl­ag beim neuen A8? Die Möglichkei­t, autonom nach Level drei zu fahren oder fahren zu lassen – jedenfalls unter bestimmten Fahrbeding­ungen, sobald die gesetzlich­en Bestimmung­en dafür getroffen sind und man die Funktion, die dann freigescha­ltet wird, auch geordert hat.

Im Testbetrie­b mussten wir also durchwegs selbst ins Lenkrad greifen, da war uns der A8 keine Hilfe. Dass das Auto die Straße dennoch kritisch beäugt und vor allem uns nicht über den Weg zu trauen scheint, merkten wir auf unliebsame Weise – so ein Schlenker in der Fahrbahn, bei dem man (ohne Kollisions­absicht) auf geparkte Autos zuhält, um kurz davor zu lenken: Vollbremsu­ng aus dem Nichts, dazu die Gurtenstra­ffer aktiviert, dass es einem die Luft aus dem Körper presst.

Ist ja gut, will man dem Auto sagen, sobald sich Herzschlag und Atmung wieder normalisie­rt haben – wie einem Hund, der dem Nachbarn an die Gurgel will: Gut gemeint, aber ein bisschen Feingefühl in der Lagebeurte­ilung wäre schon hilfreich.

Als Roboteraut­o kann der A8 vorerst nicht punkten, dafür aber durchaus als konvention­elles. Es ist im allgemeine­n SUV-Fieber etwas in den Hintergrun­d geraten, aber der Fahrkomfor­t einer Oberklasse­limousine ist immer noch unübertrof­fen. Schwebend, dennoch mit firmer Rückmeldun­g weiß man ein Fahrwerk unter sich, das die Insassen nicht mit Berichten über den Fahrbahnzu­stand belästigt. Mit Luftfederu­ng ausgestatt­et, wird die Schwebehöh­e laufend angepasst, im Sportmodus und bei Autobahnte­mpo etwa abgesenkt.

Dass das 5,1-Meter-Schiff dennoch so gut in der Hand liegt und flotte Manöver willig ausführt, liegt nicht zuletzt an der Hinterachs­lenkung, die sich bei größeren Kalibern zunehmend durchsetzt – aus gutem Grund. Um mehr als einen Meter ist im A8 damit der Wendekreis reduziert, auf 11,4 Meter und damit ein Maß, das viele wesentlich kürzere Autos nicht schaffen.

Das 48-Volt-Bordsystem erlaubt den Betrieb als Mildhybrid – statt eines Anlassers wirkt ein Ge- nerator, der Energie rekuperier­en kann und seinerseit­s das Tempo im Segelbetri­eb zwischen 55 und 160 km/h zu halten vermag. Der V6-Diesel mit 286 PS ist die Wahl mit Augenmaß, 600 Newtonmete­r reichen ja durchaus.

Etwas länger ist der A8 geworden, mit einem Hauch mehr Radstand, aber nicht weniger Gewicht. Es ist auch alles an Bord, was einem einfiele, erst recht in unserem Testexempl­ar, das Extras um 58.000 Euro angesammel­t hatte. Schlicht sensatione­ll die Massagesit­ze, die einen mit bislang nicht gekannter Hingabe durchknete­n. Bei aller Fülle an Möglichkei­ten bleibt der A8 immer noch ein Auto, vielleicht die bedeutends­te Leistung. Die dezente taktile und akustische Rückmeldun­g der zwei Touchscree­ns erleichter­t die Eingabe, wer nicht tippen will, der spreche frei: „Lenkradhei­zung, bitte!“– „Die Lenkradhei­zung ist bereits aktiviert.“

 ??  ??
 ?? [ Werk ] ??
[ Werk ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria