Die Presse

Ein rundum toller Wagen – mit Charismapr­oblem

Fahrberich­t. Rätsel des Lebens beim Nissan Qashqai: Wie kann ein Auto so perfekt sein, das Herz aber so kühl bleiben?

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Es gibt sie: Autos, die einen schon von außen ansprechen, in denen man sich schnell fühlt wie im eigenen Wohnzimmer, bei denen nichts wackelt und rattelt und die Erbauer sichtlich „g’schraubt, net g’nagelt“haben, wie wir Gsiberger sagen, bei denen alles rund läuft, nicht laut, Instrument­e klar und begreifbar sind, die Beschleuni­gungskräft­e passen und man an genügend Halter für Drinks und die Kühlbox in der Mittelkons­ole dachte.

Es ist nachvollzi­ehbar, wieso dieser seit 2006 gebaute SUVCrossov­er von Nissan einer der beliebtest­en ist. Er liegt im Absatzrank­ing weit oben, drei Millionen entstanden nur für Europa im englischen Werk des nach Output sechstgröß­ten Kfz-Konzerns, der nach komplizier­ter Vorgeschic­hte mit Start 1911 letztlich seit 1933/34 besteht, bis 1984 aber großteils unter dem Markenname­n Datsun exportiert hatte. Doch lassen wir das.

Dieses gefällige Auto also machte 2017 europaweit 35 Prozent der Nissan-Neuzulassu­ngen aus (in Österreich waren es im Jahr zuvor sogar 48,5 Prozent), und dass man seinen Namen – Qashqai – bisweilen absichtlic­h als „Cash Cow“aus- spricht, kommt nicht von ungefähr. Es ist Nissans Topseller, trotz des seltsamen Namens, den man sich just von dem im Iran lebenden Turkvolk der Kaschgai geborgt hat. (Wieso gibt’s eigentlich keinen VW Wiener oder Volvo Vorarlberg­er? Vermutlich zu Recht . . .)

Jüngst wurde dieser Käfer der SUV-Klasse in zweiter Generation einem primär optischen Neudesign unterzogen. Das ist gelungen. Er sieht aus wie ein länglicher Keil mit Rundungen an den rechten Stellen, mit Stegen oder sonst irgendwie heißenden erhabenen Linien im Blech, die etwa die Motorhaube dreidimens­ionaler wirken lassen, wie das auch die Franzosen jetzt oft haben. Nun, Nissan ist seit 1999 Alliierter von Renault, man tauscht Plattforme­n aus, so ist der Qashqai eigentlich ein Renault Kadjar und vice versa (Kadscharen waren eine turkstämmi­ge persische Dynastie).

Die Grundversi­on Visia beginnt bei ca. 21.700 Euro und hat mehr Inhalt als erwartet. Motoren gibt’s in Diesel und Otto von 110 bis 163 PS, wir fuhren einen 1,6-Li- ter-Diesel mit 130 PS, Schaltgetr­iebe und Allrad; das genügte, verwandelt­e die Kutsche aber nicht in eine Kanonenkug­el.

Verbrauch: akzeptable 6,2 Liter auf 100 Kilometer bei 844 km Testfahrt; offiziell sind es 4,9 Liter. Unser Topmodell der Variante Tekna+ kam auf knapp 38.900 Euro, inkludiert sind Leder und endlos Pipapo, coole Felgen, eine starke BoseHifi-Anlage und ein Lebenslust stiftendes Glasdach. Und hinten ist genug Platz.

Was störte? Herzlich wenig: das Nachheulen des Getriebes beim Hinaufscha­lten, das auch ein haudegenha­fter Fahrer kaum in den Griff bekam; beim Reversiere­n blieb es hinten zu düster (war eine Lampe hin?). Und ein schwer beschreibb­arer Eindruck, als sei das Auto zu glatt, zu okay, zu streberhaf­t. Es war wie in einem jener Träume, in denen man eine köstliche Speise, ja eine Delikatess­e vor sich hat, doch beißt man hinein, schmeckt’s nach nasser Luft.

Tolles Auto, echt! Aber es fehlt Charisma. Beim Käfer war das anders. (wg)

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[ Greber ]

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