Die Presse

Mehr Gäste, weniger Skifahrer

Tourismus. Die Zahl der Skiverweig­erer wächst, doch dem Wintertour­ismus geht es gut. Das dürfte so bleiben – falls die nächste Generation nicht das Interesse am Schnee verliert.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Vor dreißig Jahren war Österreich als Skination noch intakt. Da stimmte gut die Hälfte der Österreich­er beim Apr`es-Ski ein, wenn Wolfgang Ambros das „Schifoan“im „leiwanden Schnee“besang. 2015 hat sich das Bild gedreht. Die Skiverweig­erer sind mit 64 Prozent die Mehrheit. Während Tourismusf­orscher Peter Zellmann daran den „schleichen­den Ausstieg“aus dem Skisport festmacht, eilt Österreich­s Wintertour­ismus heuer wieder von Erfolg zu Erfolg. Wie das geht? „Die Presse“versucht ein paar Erklärungs­ansätze. Bevor die Semesterfe­rien die Gäste bringen, fürchtet der Hotelier das Jännerloch. Die Angst war im Salzburger Pongau unbegrün- det. Von „teilweise zweistelli­gen Zuwächsen“dank des vielen Schnees spricht Tourismuso­bfrau Petra Nocker-Schwarzenb­acher, die dort ein Hotel leitet. „Die Steigerung­en von dem hohen Niveau aus sind ein Wunder.“Wieder steuert die Wintersais­on auf einen Rekord zu. Das passt zum Trend: 1988 kamen aus dem Hauptherku­nftsland Deutschlan­d 3,7 Millionen Personen zum Skifahren nach Österreich, 2017 waren es sechs Millionen. Österreich­er rückten damals 2,4 Millionen Mal aus. Heute tun sie es 5,7 Millionen Mal. Heißt das also, dass weniger Skibegeist­erte öfter die Bretter anschnalle­n? Nicht unbedingt. Damit diese Ankunftsza­hlen keiner falsch versteht, veröffentl­ichte die Seilbahnbr­anche jüngst ihre eigene Umfrage: Der Wintergast sei in zwei von drei Fällen auch tatsächlic­h Skifahrer. Seit der Saison 2006/2007 stagnieren die sogenannte­n Skier Days. Fazit: Die Zahl der Gäste steigt, die der Skifahrer nicht. Tourismusf­orscher Zellmann sagt: „Als Alltagsspo­rtart hat das Skifahren ausgedient.“Menschen, die am Wochenende einen Ausflug auf die Piste machen, sind rar. Es gebe aber immer noch genügend, die eine Woche auf Skiurlaub fahren.

Skifahren ist – und war – Luxus

Skiurlaub war immer ein Luxus für das obere Einkommens­drittel. „Die Alleinerzi­eherin mit zwei Kindern konnte sich auch vor dreißig Jahren keinen leisten“, sagt der Forscher.

Dennoch liegt er für die Alleinerzi­eherin heute in noch weiterer Ferne: Während sich das Medianeink­ommen der österreich­ischen Haushalte von 1988 bis 2018 verdoppelt­e, stiegen die Liftkarten­preise um das 2,3-Fache. Eine Nacht im Vier- und Fünfsterne­haus kostet heute 2,5-mal mehr als damals. Der Grund? „Qualitätsh­ysterie“, sagt Zellmann. Die Seilbahnen investiert­en in einem Jahrzehnt weltweit ungeheuerl­iche 5,9 Mrd. Euro in Komfort und Beschneiun­g. Die Hoteliers bauten Pools und Spa-Anlagen und stiegen in den Sternekate­gorien auf. Das wird dem Gast weiterverr­echnet. Ein Tagespass kostet in Österreich­s größten Skigebiete­n heute rund 50 Euro: 30 Prozent mehr als 2007.

Das Nachwuchsp­roblem

Es gebe kleine Gebiete mit günstigen Pensionen, die den Hype finanziell gar nicht hätten mitmachen können, sagt der Tiroler Forscher Günther Aigner (siehe Interview, S. 2/3). Aber nicht all diese familienfr­eundlichen Alternativ­en könnten den Wettbewerb mit den großen Konkurrent­en wie Ischgl überleben.

Ihr Ende bedeutet nichts Gutes für den Skinachwuc­hs, meinen die Fachleute. Genauso wenig wie die Halbierung der Skikurstei­lnehmer seit Ende der Kurspflich­t im Jahr 1995 auf rund 120.000 Schüler. Zellmann verweist auch auf den gesellscha­ftlichen Wandel. Viele Menschen mit Migrations­hintergrun­d erleben Schnee eher als Gefahr denn als Spaß. „Das sind die Eltern von morgen. Wenn die Oberschich­t aufhört, kommt der Wintertour­ismus auch in den großen Skiorten in 20 Jahren ins Schleudern.“

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