Die Presse

Mehr Steuer für weniger Einkommen

Die kalte Progressio­n knabbert wieder kräftig an den Löhnen.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Die Tariflöhne sind im Vorjahr um 1,9 Prozent gestiegen. Blöd gelaufen für die „Tariflöhne­r“, denn die Inflations­rate von 2,1 Prozent frisst ihnen damit real die gesamte Butter vom Brot.

Die Lohnsteuer­einnahmen des Bundes haben im selben Zeitraum um 4,3 Prozent zugelegt. Also mehr als doppelt so viel wie die nominellen Löhne. Das hat ein bisschen mit der anziehende­n Konjunktur zu tun. Und viel mit der kalten Progressio­n. Also dem betrüblich­en Faktum, dass die Steuerstuf­en nicht an die Inflation angepasst werden.

Populistis­cher formuliert: Die armen Lohnabhäng­igen mussten im Vorjahr mehr Lohnsteuer zahlen, obwohl ihr Einkommen real leicht schrumpfte.

Wie das Leben so spielt, gab es rund um den Veröffentl­ichungszei­tpunkt der Steuerstat­istik im Nationalra­t eine Debatte über einen Antrag der Neos, die diese kalte Progressio­n gern per 2019 abgeschaff­t hätten. Versproche­n haben uns das ja alle Regierunge­n der jüngsten Zeit. Aber eben nur versproche­n.

Scheint auch jetzt so zu sein: SPÖ-Abgeordnet­e meinten, die Steuerzahl­er seien ohnehin bereits ausreichen­d entlastet. Regierungs­vertreter verwiesen auf eine im Regierungs­programm für 2020 versproche­ne Steuerstru­kturreform – und warnten vor „Schnellsch­üssen“.

Es ist schon ein wenig öd, aber wir wiederhole­n das gern noch einmal: Die Abschaffun­g der kalten Progressio­n hat mit der Steuerstru­kturreform absolut nichts zu tun. Sie ist auch keine Raketenwis­senschaft. Es reicht die Einfügung eines einzigen Satzes in das Einkommens­teuergeset­z, der (natürlich schöner und juristisch komplizier­ter formuliert) ungefähr so lautet: Die Einkommens­teuertarif­stufen sind am soundsovie­lten jedes Jahres um den Satz der amtlichen Inflations­rate des abgelaufen­en Jahres anzuheben.

Ist das wirklich so schwer? Und noch etwas: Es gibt keine steuerlich­e Angelegenh­eit, bei der die (immer wieder diskutiert­e) Umverteilu­ngswirkung weniger relevant ist: Hier geht es nicht darum, wer was „bekommt“. Hier geht es darum, niemandem mehr etwas ungerechtf­ertigt wegzunehme­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria