Mehr Steuer für weniger Einkommen
Die kalte Progression knabbert wieder kräftig an den Löhnen.
Die Tariflöhne sind im Vorjahr um 1,9 Prozent gestiegen. Blöd gelaufen für die „Tariflöhner“, denn die Inflationsrate von 2,1 Prozent frisst ihnen damit real die gesamte Butter vom Brot.
Die Lohnsteuereinnahmen des Bundes haben im selben Zeitraum um 4,3 Prozent zugelegt. Also mehr als doppelt so viel wie die nominellen Löhne. Das hat ein bisschen mit der anziehenden Konjunktur zu tun. Und viel mit der kalten Progression. Also dem betrüblichen Faktum, dass die Steuerstufen nicht an die Inflation angepasst werden.
Populistischer formuliert: Die armen Lohnabhängigen mussten im Vorjahr mehr Lohnsteuer zahlen, obwohl ihr Einkommen real leicht schrumpfte.
Wie das Leben so spielt, gab es rund um den Veröffentlichungszeitpunkt der Steuerstatistik im Nationalrat eine Debatte über einen Antrag der Neos, die diese kalte Progression gern per 2019 abgeschafft hätten. Versprochen haben uns das ja alle Regierungen der jüngsten Zeit. Aber eben nur versprochen.
Scheint auch jetzt so zu sein: SPÖ-Abgeordnete meinten, die Steuerzahler seien ohnehin bereits ausreichend entlastet. Regierungsvertreter verwiesen auf eine im Regierungsprogramm für 2020 versprochene Steuerstrukturreform – und warnten vor „Schnellschüssen“.
Es ist schon ein wenig öd, aber wir wiederholen das gern noch einmal: Die Abschaffung der kalten Progression hat mit der Steuerstrukturreform absolut nichts zu tun. Sie ist auch keine Raketenwissenschaft. Es reicht die Einfügung eines einzigen Satzes in das Einkommensteuergesetz, der (natürlich schöner und juristisch komplizierter formuliert) ungefähr so lautet: Die Einkommensteuertarifstufen sind am soundsovielten jedes Jahres um den Satz der amtlichen Inflationsrate des abgelaufenen Jahres anzuheben.
Ist das wirklich so schwer? Und noch etwas: Es gibt keine steuerliche Angelegenheit, bei der die (immer wieder diskutierte) Umverteilungswirkung weniger relevant ist: Hier geht es nicht darum, wer was „bekommt“. Hier geht es darum, niemandem mehr etwas ungerechtfertigt wegzunehmen.