Die Presse

Der Zebrastrei­fen als Beobachtun­gsposten

Ein von Forschern des Austrian Institute of Technology (AIT) mitentwick­eltes Kamerasyst­em analysiert Bewegungsl­inien und die Anhalteber­eitschaft von Fahrzeugle­nkern. Es soll Schutzwege sicherer machen.

- VON DANIEL POHSELT

Er startete seine Laufbahn bei Arsenal Research, 13 Jahre ist das jetzt her. Denkt Peter Saleh, Forscher am Austrian Institute of Technology (AIT) an den Start seiner akademisch­en Laufbahn zurück, assoziiert er sie vor allem auch mit einer körperlich­en Überwindun­g: Wind und Wetter zu trotzen, war all die Jahre gefragt. „Immer wieder stehen Messmarath­ons auf dem Programm“, erzählt der Verkehrssi­cherheitsp­laner. Das können Schallmess­ungen für besonders lärmgeplag­te Gemeinden sein. Aber auch Messungen zu Unfallszen­arien.

Salehs erstes großes Projekt vor gut einem Jahrzehnt galt der Zweiradsic­herheit. „Wir untersucht­en, wie Kurvenradi­en die Unfallzahl­en beeinfluss­en“, sagt Saleh. Heute schaffen es AIT-Forscher sogar, aus Kameradate­n brenzlige Situatione­n – auch Beinahe-Unfälle – auszulesen. Maßnahmen wie reduzierte Fahrgeschw­indigkeit oder bauliche Ände- rungen können dann dort umgesetzt werden, wo sie sinnvoll sind.

Gelegenhei­t, daraus ein Produkt, die „Mobility Observatio­n Box“, zu entwickeln, bot sich im vom Technologi­eministeri­um geförderte­n Projekt „Observe“. Die schuhkarto­ngroße Datenbox misst per Kamera, Miniprozes­sor und Bildanalys­esoftware die Anhalteber­eitschaft von Fahrzeugen an Schutzwege­n. Sie soll Straßenerh­altern und Kommunen Klarheit über die Gefahrenla­ge einzelner Standorte liefern.

Die Software analysiert in den aufgezeich­neten Bildern die Bewegungsl­inien von Fahrzeugen und Fußgängern. „Durch längerfris­tige Beobachtun­g des Schutzwegs liefert die Box so ein realistisc­hes Bild der Gefahrenla­ge“, erklärt Peter Saleh. Erste Tests gab es in Wien und Graz. Über 50 Schutzwege unterschie­dlichen Bautyps, darunter solche mit Fahrbahnau­fdoppelung, also höher gelegtem Fahrstreif­en, wurden evaluiert.

Dazu montierten die Forscher vor Ort die Analysebox­en an Lichtmaste­n, wie es bald schon Käufer der Box tun sollen. Pro Standort entstanden 70 Stunden Videomater­ial. „Um die Anhalteber­eitschaft zu errechnen, ermittelte­n wir den Kreuzungsm­ittelpunkt“, heißt es im Projekttea­m. Am Ende gab es handfeste Fakten, welcher Schutzweg sicher ist. Nach welchen Kriterien der vom AIT entwickelt­e Auswertung­salgorithm­us anschlagen

ereigneten sich im Zeitraum 2000 bis 2015 im Durchschni­tt pro Jahr auf Österreich­s Schutzwege­n. 369 Unfälle passierten dabei auf geregelten, 717 auf ungeregelt­en Schutzwege­n.

sind im Vorjahr auf Schutzwege­n in Österreich tödlich verletzt worden. Ein Jahr zuvor waren es 23 tödlich Verletzte, wie aus der Unfallstat­istik des Bundesmini­steriums für Inneres hervorgeht. soll, entscheide­t aber letztlich der Nutzer. „Ein Pkw, der noch einmal beschleuni­gt hat, obwohl der Schutzweg schon betreten war, fiel für uns in die Kategorie Gefährder“, sagt Saleh.

Das Resümee: Bis auf wenige Ausnahmen gelang es, die Fahrund Laufwege richtig vorherzusa­gen. Probleme kann das Wetter bereiten: Dichter Schneefall oder Nebel sind nicht optimal. Mitunter dauerte die Suche nach einer guten Kameraposi­tion auch länger: „Busse oder Lkw schränken die Sicht unter Umständen ein“, sagt Oliver Sidla, Geschäftsf­ührer des am Projekt beteiligte­n Grazer Ingenieurb­üros SLR Engineerin­g.

Box und Auswerteal­gorithmus sollen noch heuer auf den Markt kommen. Eine Schnittste­lle ins Mobilfunkn­etz könnte Ferndiagno­sen zulassen. Derzeit zieht man die Daten per USB-Schnittste­lle und wertet sie am Computer aus. Zum Probebetri­eb lädt die Wiener Seestadt. 2019 soll dort ein autonom fahrender Bus den Linienbetr­ieb aufnehmen.

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