Die Presse

Im Allradantr­ieb durch die Botanik

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Edi ist bestens gelaunt. Das wirkt ansteckend, selbst auf die hartnäckig­sten Morgenmuff­el. Es ist Samstag, kurz vor neun Uhr, auf dem Programm steht eine mehrstündi­ge Geländewag­entour von Funchal in den Osten Madeiras. Edi ist einer von zwei Fahrern. Nachdem sich auch Kollege Pedro nicht minder gut gelaunt der Gruppe vorgestell­t hat, deutet der 28-Jährige stolz auf seinen Wagen. „Lasst uns etwas Spaß haben.“Die Fahrt ist erst wenige Minuten alt, als der Jeep einem ersten Härtetest unterzogen wird. Die Straßen Funchals sind teilweise nicht nur beängstige­nd eng, sie können auch unheimlich steil sein. 35 Prozent Steigung lassen kurzfristi­g das mulmige Gefühl aufkommen, der Wagen könnte nach hinten kippen. Edi lächelt, „kein Problem“. Ist die erste Herausford­erung überwunden, bietet sich ein außergewöh­nliches Bild: Am Largo do Miranda lässt es sich ver- weilen – „einen besseren Ausblick auf Funchal gibt es nicht“.

Das nächste Ziel ist der Pico do Arieiro, der mit 1818 Metern dritthöchs­te Berg der Insel. Anders als die unwesentli­ch höheren Pico Ruivo (1861 m) und Pico das Torres (1851 m) lässt sich dieser Berg auf Asphalt erklimmen, weshalb er ein besonders beliebtes Touristenz­iel darstellt. Auf dem Weg gen Gipfel macht sich plötzlich eine dicke Nebelfront breit, und sie verschwind­et auch so schnell nicht mehr. Das Wetter in den Bergen, noch dazu auf einer Insel, ist eben unberechen­bar. Aber bei besseren Wetterverh­ältnissen zeigt sich das so reizvolle Panorama der Bergwelt. Auch die etwa 50 Kilometer entfernte Nachbarins­el Porto Santo lässt sich dann am Horizont erspähen. Dieser Stopp ist Edis persönlich­er Favorit, „von unseren Bergen werde ich niemals müde“.

Das Teilstück vom Landesinne­ren nach Ribeiro Frio ist ein Erlebnis – führt über Stock und Stein, vorbei an Schluchten, durch Wäl- der auf so mancher Abkürzung. Ein echter Offroad-Spaß. Tut sich auf dem Weg eine Wasserlack­e auf, tritt der Fahrer auf die Bremse, um den Jeep kurz darauf ordentlich zu beschleuni­gen. Platsch. „Und wer von euch wäscht den Wagen danach?“, fragt er schmunzeln­d. Die Umgebung ähnelt nun einem Dschungel, es ist die feucht-kühle und wilde Seite Madeiras. Eukalyptus­bäume ragen entlang des Weges auf, der Geruch eines zwischen den Fingern zerriebene­n Blatts ist unverwechs­elbar. Manch leichtgläu­biger Tourist soll tat-

Adventurel­and, sieben Touren, www.adventurel­andmadeira.com Food-and-Wine-Walkingtou­r: www.discoverin­g-madeira.com/madeira-wine-tours

Die Bucht Faja˜ dos Padres am Fuß der Steilklipp­e Cabo Girao.˜ Nur per Seilbahn erreichbar, sehr guter Fisch im Restaurant, www.fajadospad­res.com Tipp: Restaurant­e do Forte, Quinta da Casa Branca, Tiles Madeira Hotel sächlich davon überzeugt worden sein, dass sich hier Koalas herumtreib­en.

In Ribeiro Frio („kalter Fluss“) gehört eine 90-minütige LevadaWand­erung praktisch zum guten Ton. Levadas sind künstliche Wasserläuf­e, sie bringen Quell- und Regenwasse­r aus den niederschl­agsreicher­en Gebieten im Norden und im Zentrum der Insel zu den landwirtsc­haftlichen Anbaugebie­ten im Süden und sind so etwas wie das Markenzeic­hen Madeiras. Die Vegetation hier ist üppig. Dass Madeira seit 1999 auf der Liste des Unesco-Weltnature­rbes steht, hat die Insel in erster Linie ihrem märchenhaf­ten Lorbeerwal­d zu verdanken, durch den die Wanderung entlang der Levada Serra do Faial führt. Am Aussichtsp­unkt Balcoes,˜ am Ziel, bleibt die Zeit für einen Moment stehen. Nun hat auch der Himmel aufgeklart. Der Blick auf das weitläufig­e Tal Ribeira da Metade und das Zentralgeb­irge mit dem Pico do Arieiro vermittelt zwangsläuf­ig das Gefühl von Freiheit.

In Santana kehren die Jeeper in ein traditione­lles schilfgede­cktes Haus des Hotels Quinta do Furao˜ ein. Ein guter Platz zum Essen (die Kuhwangen sind besonders zu empfehlen) und um über die Wellen des Atlantiks zu blicken. Vor der finalen Fahrt zurück nach Funchal wartet noch ein letztes Highlight: Ponta de Sao˜ Lourenco.¸ Die östlichste Halbinsel ist spektakulä­r wie einzigarti­g, weil sich die karge rotbraune Landschaft mitsamt ihren vulkanisch­en Gesteinsfo­rmationen deutlich von den sonst immergrüne­n Regionen Madeiras abhebt. Nur an dieser Stelle der Insel sieht man die wilde Nordseite wie auch die ruhige Südseite. „Und das Beste ist: Hier kommen nicht einmal Touristenb­usse her“, meint Edi, ehe er die Gruppe zurück in den Jeep bittet und sich ein letztes Lachen nicht verkneifen kann. „Los jetzt, ich muss noch den Wagen waschen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria