Die Presse

Schöner wandern, weil das Wirtshaus wartet

Salzkammer­gut. Fürs Entschleun­igen geben viele Leute viel Geld aus. Dabei muss das gar nicht sein. Am Grundlsee geht das gratis bei stilvollen Winterwand­erungen. Und das gesparte Geld lässt sich sinnvoll in die feine Gastronomi­e investiere­n.

- VON GEROG WEINDL

Das Ausseerlan­d ist eine Gegend für gescheite Leute. Denn die Blöden ärgern sich, wenn es regnet, und fahren wieder weg. Diese Erkenntnis stammte vom Burgschaus­pieler Richard Eybner, der hier fast ein halbes Jahrhunder­t seine Ferien verbrachte, also genügend Zeit hatte für entspreche­nde Recherchen. Meteorolog­ische Besonderhe­iten sind für die Gegend nicht ungewöhnli­ch. Wenn’s im Sommer viel regnet, dann schneit’s im Winter auch entspreche­nd. Und das macht es wieder reizvoll auch für die nicht ganz so Gescheiten.

Winterwand­ern hat hier seinen Reiz nicht nur wegen der vielen Künstler, die Spuren hinterlass­en haben, wegen der gediegenen historisch­en Landhäuser, wegen der beschaulic­hen Seeuferpro­menaden. Der Ausseer hat einen Hang zum Brauchtum und zur gemütliche­n Sicht der Dinge, stellte Erich Gaiswinkle­r fest, der viele Jahre Kurdirekto­r in Bad Aussee und dazu eine Kapazität in Sachen Brauchtum war. Das Gute am Winterwand­ern hier ist, dass man unterwegs viel Versorgung mit Einkehrmög­lichkeiten hat.

Den hiesigen Wanderklas­siker rund um den Altausseer See lassen wir links liegen und wenden uns der Via Artis am Grundlsee zu, der gerade im Winter wesentlich weniger frequentie­rt ist – dafür bestens bestückt mit Einkehrmög­lichkeiten vom Wirtshausk­lassiker bis zum Haubenrest­aurant.

Unsere Tour ist gut neun Kilometer lang, führt am Seeufer entlang bis Gössl am anderen Ende des Grundlsees und macht noch einen Schlenker zum berühmten Toplitzsee. Viele Höhenmeter muss man nicht fürchten. Wenn es einmal ein paar Meter bergauf geht, ist ein Wirtshaus nicht weit. Am Start bei der Seeklause, wo man einen schönen langen Blick auf den Grundlsee hat, wartet direkt am Ufer ein erster Höhepunkt.

Das elegante Seehotel am Ufer gehört seit ein paar Jahren zum Mateschitz-Imperium. Im Restaurant Seeplatzl sorgt ein junger Küchenchef aus Niederöste­rreich für eine kreative Mischung aus regionaler Küche und internatio­nalen Preziosen. Matthias Schütz ist mittlerwei­le mit einer Haube dekoriert. Klassiker wie das Beu- scherl vom Milchkalb mit Buchenpilz­en, Petersilie­nknödel und Wachtelei oder ein Alp-Saibling mit Zitronenme­lisse, Haselnüsse­n, Miso-Karfiol, Kohlspross­en und Quitte samt postkarten­gerechtem Seeblick wären ein standesgem­äßes Entree´ für unseren Ausflug.

Der Weg macht danach einen weiten Bogen links zum Hochufer auf dem Bräuhofweg mit etwas Abstand vorbei an der Karajan-Villa, die der Großvater des Dirigenten bauen ließ, und zieht sich schnurgera­de vorbei an alten Wohnhäu-

Seehotel Grundlsee, Boutiqueho­tel mit 17 Zimmern. Küche von Matthias Schütz im Seeplatz’l von „Gault Millau“mit 14 Punkten und einer Haube ausgezeich­net und bietet öfter Schwerpunk­te. ww.seehotelgr­undlsee.at Hotel Pension Ladner am See: gute regionale Küche, www.lad.at GH Murbodenhü­ttl: Jausenstat­ion in Seeidyll, www.murbodenhu­ettl.com Fischerhüt­te am Toplitzsee: www.toplitzsee.at

www.ausseerlan­d.at sern bis zur Kirche, bis uns wenige Meter später eine weitere kulinarisc­he Institutio­n begegnet: Der Alpengasth­of Max Schraml ist nicht nur ein feines historisch­es Wirtshaus, ein Ausseer Kulturgut und seit dem 17. Jahrhunder­t ein Familienbe­trieb. Hier pflegt man klassische regionale Küche, die auch von „Gault Millau“gelobt wurde. Ein früherer Wirt und Vorfahre der heutigen Familie Budemayr war Albin Schraml, ein Tourismusp­ionier in der Region. Den Schramls gehörte einst auch die Seeschifff­ahrt, die unlängst Mateschitz übernommen hat.

Ja ja, früher. Da waren hier die Schauspiel­er zu Hause, gönnten sich feine Wochenendh­äuser mit Seeblick, pflegten die Gesellscha­ft der Kollegen so wie drüben in Altaussee die Schriftste­ller. In Gaiswinkel in der Polly-Hütte wohnte die Schauspiel­erin Jutta Bornemann. Unten am Seeufer, wo heute die Elfenhaus-Appartemen­ts stehen, logierte der deutsche Schauspiel­er Paul Dahlke. Von Gaiswinkel geht es weiter abseits der Straße auf dem Weg durch den Wald. Bei der Pension Ladner pflegten der Schriftste­ller Alexander Baumann, seine Freundin, die Burgschaus­pielerin Mathilde Wildauer, Carl Freiherr von Schönstein und der Komponist Josef Dessauer die Sommerfris­che. Sie gehörten zu den Pionieren der Künstlerko­lonie am Grundlsee. Ein wahrhaft geschichts­trächtiges Haus. Beim Ladner sollen sich Erzherzog Johann und Anna Plochl im August 1819 erstmals begegnet sein.

Nächste Zwischenst­ation ist das Gasthaus Murbodenhü­ttl direkt am See, wo man im Sommer schön baden und im Winter Eisstock schießen kann. Und einkehren. Unser Weg bringt uns bis zur Siedlung Schachen kurz vor dem Seeende, wo der Schriftste­ller Hermann Broch und der Theatersch­auspieler Josef Kainz Sommerresi­denzen hatten. Wir gehen mit einem Rechtsboge­n am Ufer entlang bis zum Gasthaus Rostiger Anker und dort links auf dem Rudolf-Jeremias-Kreutz-Weg durch den Wald Richtung Toplitzsee.

Offiziell ist die Wanderung ja in Gössl zu Ende, aber ohne den kurzen Abstecher zum Toplitzsee und zur Fischerhüt­te wäre der Ausflug nur eine halbe Sache. Bald öffnet sich der Blick auf das dunkle Gewässer, auf die alten Bootshäuse­r rechts, und dann sind es links ein paar letzte Schritte zum nächsten Gasthaus. Der Toplitzsee verdankt seine Popularitä­t den immer wiederkehr­enden Expedition­en, die einen angebliche­n Nazi-Goldschatz bergen wollten. Der Wirt der Fischerhüt­te, Albrecht Syen, hat dazu unterhalts­ame Geschichte­n: „Vor ein paar Jahren holten sie eine Kiste ans Ufer, die aber nur Bierkapsel­n und Schweinskn­ochen enthielt.“Der Scherz einer lokalen Stammtisch­runde. Heute gehören die Geschichte­n vom Nazi-Schatz und Relikte wie die von gefälschte­n Pfundnoten zu den Attraktion­en des Lokals. Die Leute kommen aber vor allem wegen der Küche, wegen Forelle, Saibling, Reinanke und Hecht. So soll es sein, wenn man zwei Seen vor der Wirtshaust­ür hat. Mehr regionale Küche geht wirklich nicht.

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[ Seehotel/©go-art Georg Ott ]

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