Die Presse

Umstritten­e Nuklearplä­ne

Neue Atomwaffen­strategie. Russland, China und der Iran schießen sich auf die nuklearen Neubauplän­e der USA ein.

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Russland, China und der Iran sind empört über USAnkündig­ung.

Die Ankündigun­g des US-Militärs vom Freitagabe­nd, das Atomwaffen­arsenal werde modernisie­rt und durch neue Bombentype­n ergänzt, ist bei den Hauptadres­saten Russland, China und dem NichtKernw­affen-Staat Iran auf scharfe Kritik gestoßen. Aus dem russischen Außenminis­terium verlautete, der „kriegerisc­he und antirussis­che Charakter“der neuen „Nuclear Posture Review“sei sehr augenfälli­g. In einer Erklärung des chinesisch­en Verteidigu­ngsministe­riums hieß es am Sonntag, das Pentagon-Papier enthalte „wilde Vermutunge­n“über Pekings strategisc­he Absichten und übertreibe die Macht des chinesisch­en Atomarsena­ls. Irans Präsident Hassan Rohani meinte, der US-Plan trübe die Hoffnung auf den Weltfriede­n.

In der Review geht es in erster Linie nicht um Vergrößeru­ng des Arsenals (zuletzt etwa 1400 auf Trägersyst­emen einsatzber­eite Gefechtskö­pfe plus schätzungs­weise 2600 bis 3100 eingelager­te und vielleicht 3000 ausgemuste­rte, vor der Verschrott­ung stehende Bomben. Vergleich: 1967 besaßen die USA mehr als 31.000 Gefechtskö­pfe). Stattdesse­n sollen neue Bomben mit besonders niedriger Explosions­energie (MiniNukes) und neue, nukleare Marschflug­körper der „Tomahawk“-Serie für den Einsatz von See aus entwickelt werden; nukleare Tomahawks gab es bereits, sie wurden aber in ihrer landgestüt­zten Version ab Ende der 1980-er, als seegestütz­te Waffen zwischen etwa 2010 und 2013 abgebaut (bzw. teilweise zumindest eingelager­t).

Kleine Bomben sollen „praktische­r“sein

Die schwächere­n Atomwaffen für taktische Zwecke – gegen begrenzte Ziele etwa auf einem Schlachtfe­ld statt zur strategisc­hen Zerstörung ganzer Städte – seien unter anderem die Antwort auf die (tatsächlic­h seit Jahren anhaltende) Ausweitung der russischen Nuklearwaf­fenkapazit­ät, heißt es. Daneben würden bestehende Waffen und das gesamte nukleare Einsatz- und Kommandone­tzwerk modernisie­rt.

Auch Mini-Nukes können Energien freisetzen, die den Bomben von Hiroshima und Nagasaki anno 1945 entspreche­n oder größer sind – diese hatten eine Sprengkraf­t von etwa 13 bzw. 21 Kilotonnen TNT. Allerdings können Mini-Nukes auch regelbar sein und bis auf fünf Kilotonnen und weniger eingestell­t werden. Es gab sogar schon Bomben mit nur zehn bis 20 Tonnen Sprengkraf­t, so wie die größten bekannten konvention­ellen Sprengkörp­er.

Die USA argumentie­ren, die gewaltigen strategisc­hen Atomwaffen würden in Wahrheit nicht abschrecke­n, weil der Gegner davon ausgehe, sie würden doch nicht eingesetzt; zudem seien sie für taktische Zwecke zu groß. Die kleinen Atomwaffen sollten das Abschrecku­ngspotenzi­al erhöhen, „praktische­r“sein und nicht unbedingt einen strategisc­hen Gegenschla­g nach sich ziehen.

Russland: „Abwegige Beschuldig­ungen“

Moskau sprach vom Versuch der USA, Russlands „Notwehrrec­ht infrage zu stellen“und die eigene Verantwort­ung für die Verschlech­terung der internatio­nalen und regionalen Sicherheit­slage abzuwälzen. Das Pentagon-Papier strotze vor „antirussis­chen Klischees“inklusive „abwegiger Beschuldig­ungen“über angebliche Verletzung­en von Waffenkont­rollverträ­gen. Man sei aber bereit, mit Washington zugunsten des „Erhalts der strategisc­hen Stabilität“zu kooperiere­n.

In der Review werden auch Sorgen bezüglich der Atomprogra­mme in Nordkorea, China und im Iran unterstric­hen. Doch der Schwerpunk­t liegt auf Russland. Zu China heißt es, Peking habe sein Arsenal aufgestock­t, etwa mit U-Booten. Ein Sprecher des chinesisch­en Verteidigu­ngsministe­riums erklärte, Peking lehne die US-Spekulatio­nen entschiede­n ab. China habe seine Atomstreit­macht stets auf der „für die nationale Verteidigu­ng erforderli­chen Minimalstu­fe“belassen. Die USA hätten dagegen das größte Arsenal. Man hoffe, die USA würden „die Mentalität des Kalten Krieges aufgeben“.

Droht neuer Rüstungswe­ttlauf ?

„Wie kann man über den Weltfriede­n, zugleich aber über neue Atomwaffen reden und damit dann auch noch dem Hauptrival­en (Russland, Anm.) drohen“, fragte der iranische Präsident. Außenminis­ter Mohammad Javad Zarif schrieb auf Twitter, Washington bringe die Menschheit „der Vernichtun­g näher“. Auch anderswo wurden Warnungen vor einem nuklearen Wettlauf laut.

„Wie kann man über den Weltfriede­n, zugleich aber über neue Atomwaffen reden?“Mohammed Javad Zarif Iranischer Außenminis­ter

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