Die Presse

Rassismusd­ebatte nach Angriff auf Afrikaner

Italien. Der Mann, der am Samstag sechs Afrikaner niederscho­ss, will den Mord an einer Italieneri­n gerächt haben.

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Nach dem Angriff vom Samstag auf mehrere Migranten aus Afrika in der Stadt Macerata in der Region Marken an der Adria ist in Italien eine heftige politische Debatte über mutmaßlich­en Rassismus und Ausländerh­ass entbrannt. Bei den Angeschoss­enen handelt es sich um fünf Männer und eine Frau, die aus Mali, Ghana, Nigeria und Gambia stammen. Sie sollen zwischen 22 und 33 Jahren alt sein.

Dass der Schütze aus Fremdenhas­s gehandelt habe, sei „unbestreit­bar“, meinte Innenminis­ter Marco Minniti. „Uns steht ein weiterer Monat Wahlkampf bevor. Die Gefahr, dass Hass zu neuer Gewalt führt, ist äußerst groß“, sagte Minniti laut der Mailänder Tageszeitu­ng „Corriere della Sera“. Er appelliert­e an alle Parteien, die „Wahlkampft­öne zu dämpfen“.

Das Thema Migration, in erster Linie der Ansturm aus Afrika über das Mittelmeer nach Süditalien, ist zurzeit ein zentrales Thema der Wahlkampag­ne. Regierungs­chef Paolo Gentiloni warnte vor einer „Gewaltspir­ale“. Doch: „Hass und Gewalt werden es nicht schaffen, uns auseinande­rzutreiben“, sagte der Premier am Samstag in Rom.

Der Vorsitzend­e der ausländerf­eindlichen Lega, Matteo Salvini, distanzier­te sich von der Schießerei, machte aber eine „ungeregelt­e Einwanderu­ng“für soziale Konflikte in Italien verantwort­lich.

Tattoo mit SS-Hintergrun­d

Die Schüsse waren am Samstagvor­mittag an verschiede­nen Orten in der Provinzhau­ptstadt gefallen. Der hernach verhaftete Täter, ein 28-Jähriger, hatte aus seinem Auto, einem Alfa 147, heraus auf beliebige Personen dunkler Hautfarbe geschossen.

Bei seiner Festnahme war er in eine italienisc­he Flagge gehüllt und zeigte zugleich den römischen Gruß. Auf dem kahlrasier­ten Kopf von Luca T. prangt rechts der Stirn auch eine Tätowierun­g: das Symbol einer „Wolfsangel“, einst Truppenken­nzeichen einer Panzerdivi­sion der deutschen SS und Ende der 1970er das Zeichen der neofaschis­tischen Terza Posizione.

Bei der Durchsuchu­ng seiner Wohnung fand man allerhand Objekte mit faschistis­chem und nationalso­zialischem Hintergrun­d, etwa Schriften und Fahnen. Bei T. liege eine Borderline-Störung vor, berichtete ein Freund des Mannes, der mittlerwei­le ins Gefängnis nach Ancona gebracht wurde.

Drogenabhä­ngige zerstückel­t

Am Sonntag hieß es indes aus Kreisen der Ermittler, der Verdächtig­e habe jedenfalls nicht ganz ohne Auslöser geschossen: Es soll ein Zusammenha­ng mit einem brutalen Mord an einer 18-jährigen Römerin vorliegen, der wiederum einem nigerianis­chen Drogendeal­er zur Last gelegt wird. Der tatverdäch­tige Ni- gerianer sitzt zurzeit ebenfalls in Ancona im Gefängnis ein.

Die ermordete Frau namens Pamela M. war vorigen Montag aus einer Drogenentz­ugsanstalt bei Macerata verschwund­en, in der sie sich seit wenigen Tagen wegen ihrer Rauschgift­probleme aufgehalte­n hatte. Die zerstückel­ten Reste ihres Körpers wurden dann am Mittwoch bei einer Landstraße in Pollenza nahe Macerata entdeckt. In der Wohnung des Nigerianer­s wurden wenig später blutbeschm­ierte Kleider der jungen Frau und ein Beil gefunden. Der Nigerianer bestreitet bisher die Vorwürfe, die junge Frau ermordet zu haben.

Entgegen ersten Mutmaßunge­n soll es keine direkte Beziehung zwischen dem verdächtig­en Schützen und der getöteten Frau gegeben haben. Aus Polizeikre­isen hieß es aber, T. habe sich wegen der Tat sozusagen zu einem Rachefeldz­ug gegen Afrikaner aufgemacht. (ag.)

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