Nicht alles Romantische ist dem Publikum lieb und wert
Zu gewissen Komponisten, die nominell zum großen Repertoire gehören, müssen Veranstalter erst von Weltstars überredet werden. Hugo Wolfs „italienisches Liederbuch“ist ein reines Vergnügen.
Sage keiner, er würde nicht stutzen, wenn ein Sänger ein reines Hugo-Wolf-Programm avisiert! Der große Jahrgangsgenosse von Gustav Mahler hat es nach wie vor viel schwerer als sein Symphoniker-Compagnon, der ja auch in Liederabenden seit Langem eine dominante Rolle spielt. Von Wolf weiß man eher, dass er sehr wichtig für die Entwicklung des Kunstliedes war, als dass man seine Werke wirklich zu schätzen wüsste.
Jedenfalls gilt für Veranstalter die Anmutung eines puren Wolf-Programms als ungeliebtes Geschenk. Ein solches nimmt sich in der Programmankündigung etwa so aus wie eine Aufführungsserie von Debussys „Pelleas´ et Melisande“´ im Opernjahresprospekt. Anders gesagt: Schuberts „Winterreise“oder Bizets „Carmen“sind rascher ausverkauft. Es müssen schon Vokalartisten mit dem Nimbus einer Diana Damrau, eines Jonas Kaufmann kommen, damit man einen Hugo-Wolf-Abend im Großen Musikvereinssaal überhaupt wagen kann: „Das italienische Liederbuch“steht nächsten Montag auf dem Programm.
Garantiert ist damit ein dramaturgisch spannendes, weil von krassen Gegensätzen, amüsanten, wenn auch imaginären Dialogen, Liebesgeschichten und Heiratssachen vorangetriebenes musikalisches Vergnü- gen. In Wolfs durchaus an Wagner geschulten, aber in exquisite Kleinformen gegossenen Gesängen finden Interpreten die herrlichsten Gelegenheiten, ihr lyrisches und (melo-)dramatisches Talent auszuspielen – und nach Notwendigkeit unter Umständen sekundenschnell Charakter, Stimmung zu tauschen (hie und da sogar innerhalb ein und desselben Liedes).
Des Staunens ist bei Wolf kein Ende, der Reichtum der melodischen, harmonischen und rhythmischen Erfindung ist in diesen zum Teil kurz vor dem tragischen „Umkippen“in die geistige Umnachtung entstandenen Vertonungen von Gedichten Paul Heyses auf dem Höhepunkt angelangt. Das stellt Ansprüche an die wache Aufmerksamkeit der Hörer – und an den Pianisten, der eine regelrechte Gratwanderung zu absolvieren hat: Dem ungemein dichten Klaviersatz soll man des Öfteren auch noch mit geradezu serenadenhafter Leichtigkeit des Tons beikommen. Können vor Lachen, wird mir Helmut Deutsch entgegnen, der den undankbaren Part wieder einmal übernimmt – wie oft hat er schon bewiesen, dass er einer der wenigen Zeitgenossen ist, die sich solches überhaupt zutrauen dürfen!
Im Übrigen wird die Musik all jenen, die am 12. Februar frohen Sinnes in den Musentempel pilgern, um zwei Sängerstars zu erleben, ohne zu wissen, worauf sie sich da einlassen, eine echte Überraschung bescheren . . .