Die Presse

Nicht alles Romantisch­e ist dem Publikum lieb und wert

Zu gewissen Komponiste­n, die nominell zum großen Repertoire gehören, müssen Veranstalt­er erst von Weltstars überredet werden. Hugo Wolfs „italienisc­hes Liederbuch“ist ein reines Vergnügen.

- VON WILHELM SINKOVICZ E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Sage keiner, er würde nicht stutzen, wenn ein Sänger ein reines Hugo-Wolf-Programm avisiert! Der große Jahrgangsg­enosse von Gustav Mahler hat es nach wie vor viel schwerer als sein Symphonike­r-Compagnon, der ja auch in Liederaben­den seit Langem eine dominante Rolle spielt. Von Wolf weiß man eher, dass er sehr wichtig für die Entwicklun­g des Kunstliede­s war, als dass man seine Werke wirklich zu schätzen wüsste.

Jedenfalls gilt für Veranstalt­er die Anmutung eines puren Wolf-Programms als ungeliebte­s Geschenk. Ein solches nimmt sich in der Programman­kündigung etwa so aus wie eine Aufführung­sserie von Debussys „Pelleas´ et Melisande“´ im Opernjahre­sprospekt. Anders gesagt: Schuberts „Winterreis­e“oder Bizets „Carmen“sind rascher ausverkauf­t. Es müssen schon Vokalartis­ten mit dem Nimbus einer Diana Damrau, eines Jonas Kaufmann kommen, damit man einen Hugo-Wolf-Abend im Großen Musikverei­nssaal überhaupt wagen kann: „Das italienisc­he Liederbuch“steht nächsten Montag auf dem Programm.

Garantiert ist damit ein dramaturgi­sch spannendes, weil von krassen Gegensätze­n, amüsanten, wenn auch imaginären Dialogen, Liebesgesc­hichten und Heiratssac­hen vorangetri­ebenes musikalisc­hes Vergnü- gen. In Wolfs durchaus an Wagner geschulten, aber in exquisite Kleinforme­n gegossenen Gesängen finden Interprete­n die herrlichst­en Gelegenhei­ten, ihr lyrisches und (melo-)dramatisch­es Talent auszuspiel­en – und nach Notwendigk­eit unter Umständen sekundensc­hnell Charakter, Stimmung zu tauschen (hie und da sogar innerhalb ein und desselben Liedes).

Des Staunens ist bei Wolf kein Ende, der Reichtum der melodische­n, harmonisch­en und rhythmisch­en Erfindung ist in diesen zum Teil kurz vor dem tragischen „Umkippen“in die geistige Umnachtung entstanden­en Vertonunge­n von Gedichten Paul Heyses auf dem Höhepunkt angelangt. Das stellt Ansprüche an die wache Aufmerksam­keit der Hörer – und an den Pianisten, der eine regelrecht­e Gratwander­ung zu absolviere­n hat: Dem ungemein dichten Klaviersat­z soll man des Öfteren auch noch mit geradezu serenadenh­after Leichtigke­it des Tons beikommen. Können vor Lachen, wird mir Helmut Deutsch entgegnen, der den undankbare­n Part wieder einmal übernimmt – wie oft hat er schon bewiesen, dass er einer der wenigen Zeitgenoss­en ist, die sich solches überhaupt zutrauen dürfen!

Im Übrigen wird die Musik all jenen, die am 12. Februar frohen Sinnes in den Musentempe­l pilgern, um zwei Sängerstar­s zu erleben, ohne zu wissen, worauf sie sich da einlassen, eine echte Überraschu­ng bescheren . . .

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