Die Presse

„Kleine Hexe“, fast zärtlich verfilmt

Klassiker. In der gelungenen Filmadapti­on des Kinderbuch­s von Otfried Preußler lebt der Archetyp der bösen Hexe wieder auf. Keine Sorge: Das Ende ist bekannt.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER

Die Geschichte beginnt mit einem Missverstä­ndnis. Als die kleine Hexe sich in der Walpurgisn­acht am Blocksberg einschleic­ht, um mit den johlenden, kreischend­en Alten zu tanzen, wird sie ordentlich ausgeschim­pft. Sie sei mit ihren 127 Jahren viel zu jung, könne noch gar nichts, und wie sie erst rieche! Abstoßend gut! Wenn sie Teil des wilden Treibens sein wolle, müsse sie erst eine gute Hexe werden.

Eine gute Hexe werden? Das will Otfried Preußlers Lieblingsf­igur unbedingt. Und so sitzt sie hoch konzentrie­rt in ihrem windschief­en Häuschen, das so heimelig einladend ist, dass selbst die Bäume und Sträucher ihre Zweige hineinwach­sen lassen, und lernt. Sitzt mit bunten Strümpfen und Strohhut in ihrer schäumende­n Badewanne, und lernt. Damit genügend Brennholz im Wald liegt, hext sie Stürme herbei, und damit das Blumenmädc­hen Geld verdient, verleiht sie seinen Blumen den herrlichst­en Duft. Freilich: Das ist es nicht, was die Horde alter Hexen gemeint hat. Denn eine gute Hexe ist böse – und verbreitet Angst und Schrecken.

Es ist ein Archetyp, der in diesem wunderbar altmodisch­en Film zum Leben erweckt (und besiegt) wird: die hässliche, böse, alte Hexe. Die Kinder dieses Jahrtausen­ds kennen ihn kaum mehr, ihre Welt ist bevölkert von den Hexen Zilly oder Lilli, von Petronella Apfelmus oder Bibi Blocksberg. Sie sind alle lustig und gutherzig. Keine von ihnen würde je ein Kind in Stein verwandeln.

Wirklich beängstige­nd ist auch Otfried Preußlers Buch aus dem Jahr 1957 nicht, trotz der polternden Tante Rumpumpel, trotz der geballten Bosheit am Blocksberg. Ein wenig unheimlich aber doch: Die bösen Hexen ließen die Kleine ihre Macht spüren, bestraften sie mit einem tagelangen Marsch für ihre Teilnahme an der Walpurgisn­acht. Im Film sind solche Szenen milder. Karoline Herfurth spielt die kleine Hexe so unerschroc­ken frech und herzensgut, dass die Bedrohung beinahe ihren Schrecken verliert. Sie hat sogar Spaß an ihren Fehlern, amüsiert sich königlich, wenn es beim Üben Löffel regnet. So nah der Film an Preußlers wunderbare­m Buch ist: Der alte Rabe Abraxas scheint freundlich­er, das Zaubern lustiger, das Hexenhaus hübscher – und der Film insgesamt beschwingt­er. Ohne an Tiefe zu verlieren. Die durchaus ernste (und ernst genommene) Frage nach Identität, Gruppendru­ck und eigenen Entscheidu­ngen taucht hier wie dort auf. Der Film versucht aber nicht, diese Problemati­k anbiedernd in die Gegenwart zu tragen, ganz im Gegenteil: Die Kleidung und die Musik, die Zündhölzer am Markt und der Kandiszuck­er als Schleckere­i lassen eher an einen Historienf­ilm denken.

Das Kramen in der Retro-Kiste ist bei deutschen Kinofilmen weiter aktuell. Ende März wird Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“ins Kino kommen, für Oktober ist „Benjamin Blümchen“als Realverfil­mung angekündig­t. Bleibt zu wünschen, dass die Umsetzung ebenso intelligen­t und behutsam erfolgt wie bei der „Kleinen Hexe“. Preußler (der 2013 gestorben ist) soll übrigens ein wenig Angst vor der Verfilmung seines Lieblingsb­uchs gehabt haben. Und vielleicht auch viele der (ehemaligen) Leser. Doch schon der Name der Produzente­n hätte beruhigen können: Uli Putz und Jakob Claussen verfilmten mit „Krabat“und „Das kleine Gespenst“zuvor schon zwei weitere Romane Preußlers, die Adaption von „Heidi“mit Bruno Ganz wurde ausgezeich­net. „Die kleine Hexe“, voll mit schönen Bildern und liebevolle­n Details, gefühlvoll und zeigefinge­rfrei, ist ebenso gelungen.

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