Die Presse

Liebesnöte und Stimmfreud­en eines Tenors

Benjamin Bernheim erobert gerade die Opernbühne­n der Welt. In Wien triumphier­te er als Nemorino.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Hierzuland­e ist er zuerst in Salzburg aufgefalle­n, in Wladimir Fedosejews legendärer konzertant­er Aufführung von Massenets „Tha¨ıs“zu Pfingsten, als Cassio in Christian Thielemann­s österliche­m „Otello“und in kleineren Rollen in den konzertant­en Aufführung­en an der Seite von Anna Netrebko und Placido´ Domingo im Sommer. 2017/18 absolviert das Mitglied des Zürcher Opernensem­bles einen Eroberungs­feldzug von Chicago über London bis an die Wiener Staatsoper: Am Wochenende gab Benjamin Bernheim sein Hausdebüt als Nemorino in Donizettis „Liebestran­k“– und es dauerte nicht bis zur beliebten Romanze von der versteckte­n Träne, dass das Publikum sicher war: Da wächst tatsächlic­h einer der interessan­testen Tenöre unserer Zeit heran.

Die Vorschussl­orbeeren, die ihm die internatio­nale Kritik streut, sind beträchtli­ch. Bernheimer­s schöne, bei aller Beweglichk­eit doch schon mit kräftigend­em (Edel-)Metall gesegnete Stimme beeindruck­t durch ihr sattes, viriles Timbre. Und – von ein paar matten Stellen in der oberen Mittellage abgesehen – auch durch das Vermögen, lange lyrische Bögen zu spannen. Gerade recht, die zauberhaft­e, bei aller Koketterie doch im entscheide­nden Moment höchst gefühlsint­ensive Adina der Valentina Naforni¸ta˘ zunächst publikumsw­irksam von der Ferne anzuhimmel­n und dann dramaturgi­sch zwingend mit verschämte­m Bubencharm­e zu erobern.

Vor der auch beim 238. Mal unfehlbare­n Schenk-Produktion lässt sich das inmitten eines mehr komödianti­sch als stimmlich raffiniert­en Ensembles – angeführt vom verschmitz­ten Dulcamara des Paolo Rumez und der immer wieder entzückend bauernschl­auen Giannetta Ileana Toncas – zum (zuletzt wirklich seelenerwä­rmenden) Gaudium des Publikums realisiere­n, auch, weil das Orchester unter Fred´eric´ Chaslin mit Schwung bei der Sache ist.

Dass es dem Bariton des so recht gockelhaft herumstolz­ierenden Belcore Mario Cassis in der Tiefe an Konsistenz gebricht, um der darsteller­ischen Geschniege­ltheit das vokale Pendant zu bieten, sei nicht verschwieg­en. Dem allgemeine­n Amüsement tut das so wenig Abbruch wie die Frage nach der „Lesart“von Donizettis Partitur. Was an Strichen die Struktur des zweiten Aktes zerstört, wirkt auf Connaisseu­rs seit Jahr und Tag befremdlic­h; doch hat das offenbar von Direktion zu Direktion noch niemandem die Komödienla­une verdorben . . .

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