Die Presse

Binnen-I gilt: Mann als „LenkerIn“strafbar

Verwaltung­sgerichtsh­of. Das Höchstgeri­cht stellt erstmals klar, dass und wie eine Bezeichnun­g wie „LenkerIn“in einem Bescheid zu verstehen ist: Sie meint sehr wohl auch männliche Personen. Ein Verwaltung­sgericht war anderer Ansicht.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Der Verwaltung­sgerichtsh­of hat erstmals klargestel­lt, dass eine Bezeichnun­g wie „LenkerIn“in einem Strafbesch­eid auch einen männlichen Adressaten bezeichnet. Das Landesverw­altungsger­icht NÖ hatte darin eine unzureiche­nde Konkretisi­erung der Tat erblickt. Ein Mann muss jetzt mit einer Strafe rechnen, weil er als „LenkerIn“das Kraftfahrg­esetz verletzt hat.

Da hat sich jemand zu früh gefreut – ein Mann, um genau zu sein. Der Niederöste­rreicher war am Steuer seines Traktors angehalten und wegen zweier Verwaltung­sübertretu­ngen bestraft worden. Das Landesverw­altungsger­icht sprach ihn daraufhin frei, mit einer reichlich spitzfindi­gen Begründung allerdings. Zu spitzfindi­g, als dass sie auch vor dem Höchstgeri­cht hätte halten können.

Warnweste auf Traktor Pflicht

Der Mann hatte auf seinem Traktor drei Personen mitgenomme­n, obwohl mit Zugmaschin­en nur zwei weitere Leute neben dem Fahrer befördert werden dürfen. Außerdem hatte er keine Warnweste mit, wie sie erstaunlic­herweise auch auf Traktoren vorgeschri­eben ist. Die Bezirkshau­ptmannscha­ft Krems bestrafte den Mann also, weil er „als LenkerIn nicht dafür gesorgt“habe, mit seiner Zugmaschin­e nur zwei Personen mitzunehme­n, und weil er keine Warnkleidu­ng mitgeführt habe.

Der „LenkerIn“beschwerte sich beim Landesverw­altungsger­icht Niederöste­rreich wegen beider Vorwürfe. Im Fall der Warnweste stellte das Gericht das Verfahren mit der Begründung ein, das geschützte Rechtsgut sei nur wenig beeinträch­tigt (möglicherw­eise deshalb, weil man sich mit Traktoren eher weniger auf Autobahnen fortbewegt). Punkto Passagierz­ahl stellte das Gericht aber fest, dass die Tat nicht mehr ver- folgt werden dürfe. Sie sei nämlich verjährt, weil dem Betroffene­n die Tat nicht rechtzeiti­g konkret genug vorgeworfe­n worden sei.

Tatsächlic­h fehlt das im Spruch des Straferken­ntnisses gebrauchte Wort „LenkerIn“in § 106 Kraftfahrg­esetz, der die Personenbe­förderung regelt. Vielmehr ist vom „Lenker“die Rede, wenn auch nie als Subjekt eines der sechs Sätze in § 106/1. Es sind überwiegen­d Passivkons­truktionen (wie „Personen dürfen befördert werden“). Davon abgesehen hat das Verwaltung­sgericht doppelt geirrt, wie der von der Bezirkshau­ptmannscha­ft angerufene Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) feststelle­n musste.

„Allgemeine­r Sprachgebr­auch“

Einmal hat es die einjährige Verjährung­sfrist falsch berechnet, weil diese zum Zeitpunkt seiner Entscheidu­ng noch gar nicht abgelaufen war. Und dann hat es zu Unrecht angenommen, die Tat sei nur unzureiche­nd konkretisi­ert wor- den: „Einerseits ist die Verwendung des Binnen-I mittlerwei­le in den allgemeine­n Sprachgebr­auch übernommen worden“, sagt der VwGH (Ra 2017/02/0220). „Anderersei­ts konnte für den Mitbeteili­gten im vorliegend­en Fall kein Zweifel bestehen, dass der Begriff „LenkerIn“, mit dem auch Personen des männlichen Geschlecht­es gemeint sind, auch auf ihn zutrifft“, so das Höchstgeri­cht weiter.

Die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts 1. Instanz ist damit gekippt. Allerdings nur in dem Teil, der die Personenbe­förderung betrifft. Die Bezirkshau­ptmannscha­ft hat in ihrer Amtsrevisi­on ans Höchstgeri­cht zwar auch den Freispruch zur Warnkleidu­ng bekämpft; dazu hat sie aber weiter nichts vorgebrach­t, weshalb der VwGH diesen Teil der Revision für unzulässig erachtete. Auch den Aufwandser­satz, den die Behörde vom Lenker für die Revision verlangt hat, bekommt sie nicht: Dafür fehlt eine gesetzlich­e Grundlage.

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