Binnen-I gilt: Mann als „LenkerIn“strafbar
Verwaltungsgerichtshof. Das Höchstgericht stellt erstmals klar, dass und wie eine Bezeichnung wie „LenkerIn“in einem Bescheid zu verstehen ist: Sie meint sehr wohl auch männliche Personen. Ein Verwaltungsgericht war anderer Ansicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erstmals klargestellt, dass eine Bezeichnung wie „LenkerIn“in einem Strafbescheid auch einen männlichen Adressaten bezeichnet. Das Landesverwaltungsgericht NÖ hatte darin eine unzureichende Konkretisierung der Tat erblickt. Ein Mann muss jetzt mit einer Strafe rechnen, weil er als „LenkerIn“das Kraftfahrgesetz verletzt hat.
Da hat sich jemand zu früh gefreut – ein Mann, um genau zu sein. Der Niederösterreicher war am Steuer seines Traktors angehalten und wegen zweier Verwaltungsübertretungen bestraft worden. Das Landesverwaltungsgericht sprach ihn daraufhin frei, mit einer reichlich spitzfindigen Begründung allerdings. Zu spitzfindig, als dass sie auch vor dem Höchstgericht hätte halten können.
Warnweste auf Traktor Pflicht
Der Mann hatte auf seinem Traktor drei Personen mitgenommen, obwohl mit Zugmaschinen nur zwei weitere Leute neben dem Fahrer befördert werden dürfen. Außerdem hatte er keine Warnweste mit, wie sie erstaunlicherweise auch auf Traktoren vorgeschrieben ist. Die Bezirkshauptmannschaft Krems bestrafte den Mann also, weil er „als LenkerIn nicht dafür gesorgt“habe, mit seiner Zugmaschine nur zwei Personen mitzunehmen, und weil er keine Warnkleidung mitgeführt habe.
Der „LenkerIn“beschwerte sich beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wegen beider Vorwürfe. Im Fall der Warnweste stellte das Gericht das Verfahren mit der Begründung ein, das geschützte Rechtsgut sei nur wenig beeinträchtigt (möglicherweise deshalb, weil man sich mit Traktoren eher weniger auf Autobahnen fortbewegt). Punkto Passagierzahl stellte das Gericht aber fest, dass die Tat nicht mehr ver- folgt werden dürfe. Sie sei nämlich verjährt, weil dem Betroffenen die Tat nicht rechtzeitig konkret genug vorgeworfen worden sei.
Tatsächlich fehlt das im Spruch des Straferkenntnisses gebrauchte Wort „LenkerIn“in § 106 Kraftfahrgesetz, der die Personenbeförderung regelt. Vielmehr ist vom „Lenker“die Rede, wenn auch nie als Subjekt eines der sechs Sätze in § 106/1. Es sind überwiegend Passivkonstruktionen (wie „Personen dürfen befördert werden“). Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht doppelt geirrt, wie der von der Bezirkshauptmannschaft angerufene Verwaltungsgerichtshof (VwGH) feststellen musste.
„Allgemeiner Sprachgebrauch“
Einmal hat es die einjährige Verjährungsfrist falsch berechnet, weil diese zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch gar nicht abgelaufen war. Und dann hat es zu Unrecht angenommen, die Tat sei nur unzureichend konkretisiert wor- den: „Einerseits ist die Verwendung des Binnen-I mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen worden“, sagt der VwGH (Ra 2017/02/0220). „Andererseits konnte für den Mitbeteiligten im vorliegenden Fall kein Zweifel bestehen, dass der Begriff „LenkerIn“, mit dem auch Personen des männlichen Geschlechtes gemeint sind, auch auf ihn zutrifft“, so das Höchstgericht weiter.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts 1. Instanz ist damit gekippt. Allerdings nur in dem Teil, der die Personenbeförderung betrifft. Die Bezirkshauptmannschaft hat in ihrer Amtsrevision ans Höchstgericht zwar auch den Freispruch zur Warnkleidung bekämpft; dazu hat sie aber weiter nichts vorgebracht, weshalb der VwGH diesen Teil der Revision für unzulässig erachtete. Auch den Aufwandsersatz, den die Behörde vom Lenker für die Revision verlangt hat, bekommt sie nicht: Dafür fehlt eine gesetzliche Grundlage.