Die Presse

Erdogan˘ auf Imagetour im Vatikan

Der türkische Präsident will sich als Mann des Dialogs präsentier­en.

- Von unserer Korrespond­entin ALMUT SIEFERT

Nach seinem 24-Stunden-Besuch in Rom könnte Recep Tayyip Erdogan˘ vor allem eines sein: hungrig. Da der türkische Präsident sich den Journalist­en verweigert, schlachten Italiens Medien die kuriosen Begleiters­cheinungen des Besuchs genüsslich aus: So soll Erdogan˘ den Wunsch geäußert haben, einen persönlich­en Vorkoster in die Küche des Quirinals, des Sitzes des italienisc­hen Staatspräs­identen, zu schicken. Das soll aber abgelehnt worden sein. „Das Essen wird sehr gut, und vor allem gesund und sicher sein“, so die Antwort an die Türken, wie die Zeitung „La Repubblica“aus einer geheimen Quelle erfahren haben will.

Doch bevor es zum Mittagesse­n zu Präsident Sergio Mattarella ging, stand für Erdogan˘ ein wichtigere­s Treffen an. Am Montagmorg­en war der türkische Präsident im Vatikan zur Papstaudie­nz geladen. Minuten vergingen, bis die lange Kolonne aus dunklen Wagen die abgesperrt­e Via della Conciliazi­one passiert hatte und im Vatikan verschwund­en war.

50 Minuten sprach Franziskus mit dem türkischen Präsidente­n. Der Papst schenkte dem türkischen Präsidente­n eine Medaille mit einem Engel. „Das ist ein Friedensen­gel, der den Dämon des Krieges besiegt. Er ist Symbol einer Welt, die auf Frieden und Gerechtigk­eit basiert“, erklärte Franziskus dazu. Das berichtete die Kathpress.

Wegen der Repression­en, die sich in der Türkei nach dem Putschvers­uch von 2016 massiv verschärft­en, hat Erdogans˘ Ruf in der EU stark gelitten. Mit dem Besuch in Rom will sich der türkische Präsident als Mann des Dialogs präsentier­en.

Diplomatis­cher Fortschrit­t

„Ich denke, dass der Besuch wirklich in erster Linie darstellen soll, dass der türkische Präsident seine Beziehunge­n zu Europa verbessern will“, sagte der Türkei-Experte Günter Seufert von der deutschen Stiftung Wissenscha­ft und Politik in einem Interview mit „Vatican News“. Allein die Anfrage für einen Besuch beim Vatikan ist bereits ein diplomatis­cher Fortschrit­t, schließlic­h bedeutet sie eine Anerkennun­g der Position, die der Papst in der Welt hat. Auch in der politische­n. Seit der Aufnahme von diplomatis­chen Beziehunge­n zwischen der Türkei und dem Heiligen Stuhl im Jahr 1960 war dies der erste Besuch eines türkischen Staatsober­hauptes im Vatikan. Im Kontakt standen Franziskus und Erdogan˘ allerdings früher schon: Im November 2014 war der Papst zu Gast in der Türkei und auch per Telefon haben sich die beiden bereits ausgetausc­ht.

Von Harmonie war das Verhältnis allerdings nicht geprägt: Bei einem Besuch in Jerewan 2016 bezeichnet­e Franziskus die Verbrechen des Osmanische­n Reiches an den Armeniern vor mehr als hundert Jahren klar als Völkermord, woraufhin ihm von Seiten der türkischen Regierung ei- ne „Kreuzfahre­rmentalitä­t“vorgeworfe­n wurde.

Einig sind sich die beiden derzeit beim Thema Jerusalem, das Erdogan˘ im Vorfeld des Treffens als sein Hauptanlie­gen im Gespräch mit dem Papst bezeichnet hat. „Wir sind beide für die Verteidigu­ng des Status quo und haben den Willen, ihn zu schützen“, sagte Erdogan.˘ Nach der Ankündigun­g des US-Präsidente­n Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en, hatten Erdogan˘ und Franziskus zweimal telefonier­t. Er wolle Franziskus persönlich für dessen Reaktion auf den Vorstoß Trumps danken, kündigte der türkische Präsident an.

Proteste von Kurden

Nach seinem Treffen mit dem Papst kam Erdogan˘ mit Staatspräs­ident Mattarella und Ministerpr­äsident Paolo Gentiloni zusammen.

Der Besuch Erdogans˘ in Rom war der erste Auslandsbe­such des türkischen Präsidente­n seit dem Beginn der Militäroff­ensive im syrischen Afrin. Erst vor zwei Wochen ist das türkische Militär mit verbündete­n Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die kurdische Miliz YPG, die die Türkei als Terrororga­nisation einstuft, in Nordwestsy­rien vorgerückt.

Vor der Engelsburg, unweit des Vatikans, veranstalt­ete die kurdische Gemeinscha­ft in Italien ein Sit-in mit etwa 150 Teilnehmer­n. Dabei wurden zwei Menschen festgenomm­en. Diverse Menschenre­chtsgruppe­n hatten im Vorfeld Briefe an Erdogans˘ Gesprächsp­artner gerichtet, in denen sie diese auffordern, den türkischen Staatschef an das Einhalten elementare­r Regeln eines Rechtsstaa­tes zu erinnern.

Das ist ein Friedensen­gel, der den Dämon des Krieges besiegt. Der Papst über sein Geschenk für Erdogan˘

 ?? [ AFP ] ?? Papst Franziskus empfing am Montag den türkischen Präsidente­n Erdogan˘ im Vatikan.
[ AFP ] Papst Franziskus empfing am Montag den türkischen Präsidente­n Erdogan˘ im Vatikan.

Newspapers in German

Newspapers from Austria