Die Presse

Das Strafrecht ist zu sensibel für einfache Schlagzeil­en

Die Staatssekr­etärin des Innenminis­ters soll für den Justizmini­ster Reformen erarbeiten. Das ist verfassung­srechtlich originell und inhaltlich heikel.

- E-Mails an: philipp.aichinger@diepresse.com

Für Strafrecht­sreformen ist das Justizmini­sterium zuständig. Nun soll aber die ÖVP-Staatssekr­etärin im Innenminis­terium, Karoline Edtstadler, die Aufgabe von Josef Moser übernehmen. Das klingt ausbaufähi­g. Vielleicht könnte man auch dem FPÖ-Staatssekr­etär im Finanzmini­sterium, Hubert Fuchs, so ein politische­s Erasmusjah­r gönnen und ihn etwa statt der Außenminis­terin in ferne Länder reisen lassen.

Verfassung­srechtlich gesehen klingt das alles kurios. So sind Staatssekr­etäre nicht Teil der Regierung, sondern Gehilfen eines konkreten Ministers. Nun soll Edtstadler aber nicht ihrem Minister, Herbert Kickl, zur Seite stehen. Sondern Edtstadler, die Kickl weisungsge­bunden ist, soll Entscheidu­ngen für Moser treffen. Das läuft auf eine Art Entmündigu­ng des Justizmini­sters hinaus, wenngleich Edtstadler als frühere Richterin fachlich schon geeignet sein mag, sich dem Thema zu widmen.

Noch wichtiger ist aber die Frage, ob man eine Strafrecht­sreform benötigt. Denn schließlic­h gab es gerade erst eine, die Anfang 2016 in Kraft trat. Und diese hatte das Ziel, Strafdrohu­ngen bei Gewaltdeli­kten anzuheben und ein mögliches Missverhäl­tnis gegenüber Vermögensd­elikten auszugleic­hen. Also genau das, was die Koalition jetzt auch tun möchte.

Nun scheint die ÖVP zu meinen, dass die damalige Verschärfu­ng bei Gewaltund Sexualdeli­kten nicht weit genug gegangen ist und es höhere Mindeststr­afen braucht. Tatsächlic­h musste die ÖVP ja bei der Strafrecht­sreform Kompromiss­e machen, und solche fallen mit der SPÖ in der Regierung natürlich anders aus als in einer Partnersch­aft mit der FPÖ. Wenn also die neue Koalition die Strafen weiter verschärfe­n möchte, ist das natürlich legitim.

Vorangegan­gen war der Strafrecht­sreform 2016 aber eine Expertenko­mmission. Und nun will die Regierung schon wieder eine Expertenko­mmission („Taskforce“) einsetzen, die dann im ersten Halbjahr 2019 ihre Ergebnisse abliefern soll. Und plötzlich keimt ein Verdacht auf. Geht es der Koalition etwa doch mehr darum, möglichst lang Schlagzeil­en im Kampf gegen Gewalttate­n zu produziere­n, und weniger darum, rasch einen echten Missstand im Strafrecht zu beseitigen?

Denn so, wie ÖVP-Chef Sebastian Kurz im Wahlkampf sprach, und so, wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nun redet, scheinen sich beide sicher zu sein, dass es höhere Strafen braucht. Dann müssten sie diese aber rasch umsetzen.

Will die Regierung hingegen auf Experten hören, so kann sie durchlesen, was die Expertengr­uppe in der vergangene­n Legislatur­periode abgeliefer­t hat.

Will die Koalition aber nur schauen, ob die Reform 2016 genügt hat, soll sie nicht jetzt schon davon sprechen, dass zusätzlich­e Verschärfu­ngen nötig seien. Sondern erst in Ruhe die neuen Urteile abwarten. Das dauert etwas, weil man die strengere Rechtslage erst auf jene Taten anwenden darf, die ab 2016 begangen wurden, und diese Täter daher teilweise erst vor Gericht gestellt werden.

Abschrecke­nder als höhere Strafen wirkt zudem eine gute und rasche Aufklärung von Verbrechen. Und bevor man einen Gewalttäte­r auf freien Fuß setzt, muss man durch Präventivm­aßnahmen sicherstel­len, dass er nicht wieder zuschlägt. Diese Themen sind freilich komplexer als ein Ruf nach höheren Strafen.

Auch Justizmini­ster Moser hat kurz nach Amtsantrit­t im „Presse“-Interview erklärt, dass „eine besondere Sensibilit­ät“bei einer weiteren Verschärfu­ng des Strafrecht­s nötig sei. Nun heißt es aber, dass sich Moser voll auf Reformen in Staat und Verfassung konzentrie­ren müsse. Immerhin dürfen Experten seines Ressorts in Edtstadler­s Taskforce vertreten sein und darf das Justizmini­sterium deren Ergebnisse formal umsetzen.

Die Regierung wäre gut beraten, nicht wie zuletzt anhand einzelner Urteile zu niedrige Strafen anzuprange­rn. Denn bei der Bemessung einer Sanktion kommt es auf den Einzelfall an. Besser wäre es, sich mit den Experten des Justizmini­steriums auf dem kurzen Amtsweg zu beraten, ob es nach der Reform 2016 im Gesamtverh­ältnis noch Missverhäl­tnisse bei den Strafen gibt. So könnte man, ohne wieder eine neue Expertengr­uppe zu bemühen, Reformen rasch angehen. Sofern, ja sofern diese nötig sind.

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VON PHILIPP AICHINGER

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