Die Presse

Designer des fahrenden Stadtbilds: Die Ideen hinter dem neuen Flexity

Verkehr. Peter Döllmann hat das Erscheinun­gsbild von Wiens neuer Straßenbah­n, die Ende 2018 erste Passagiere befördern soll, entscheide­nd mitgeprägt.

- VON ERICH KOCINA

Eine Straßenbah­n prägt das Stadtbild mehr als so manches Gebäude – auch, wenn das vielen nicht bewusst ist. Natürlich, für viele Benutzer gehören die Garnituren, mit denen sie unterwegs sind, zum Alltag, werden nur unterbewus­st registrier­t. Doch wie viele bewegliche Objekte dieser Größe schlängeln sich sonst durch die Stadt, tauchen regelmäßig an verschiede­nsten Stellen auf? Die klassische­n Wagen vom Typ E, die seit 1959 in Wien unterwegs sind, sind schon in vielen Fotoalben von Touristen zu finden. Die seit 1994 in Betrieb befindlich­en ULF-Garnituren zieren so manche aktuelle Fotosammlu­ng. Und künftig wird auch die neue Flexity-Generation auf Instagram- oder Snapchat-Accounts – mehr oder weniger bewusst – zu sehen sein.

An Peter Döllmann werden wohl die wenigsten denken, wenn sie die neue Straßenbah­n benutzen, die ab Ende 2018 ihre ersten Passagierf­ahrten in Wien unternimmt. Doch viele Dinge, die die Menschen dabei bewusst oder unbewusst wahrnehmen, sind durch sein Büro gegangen. Der 49-Jährige ist maßgeblich für das Design verantwort­lich. „Dahinter stehen vier bis fünf Jahre Entwicklun­gsprozess“, erzählt er. Von der Ausschreib­ung über das erste Brainstorm­ing, dann kamen unzählige Studien und Entwürfe. Ideen, die entwickelt, verworfen, ausgefeilt und umgesetzt wurden. Bis Anfang Jänner die erste echte Garnitur öffentlich präsentier­t werden konnte.

„Wie ein Kühlschran­k von innen“

Schon um die Jahrtausen­dwende hatte Bombardier angefragt, ob Döllmann mit seinem damaligen Büro den Innenraum einer Straßenbah­n gestalten wollte. „In einem Anfall von Größenwahn habe ich damals abgelehnt. Da war der Gedanke, da kann man eh nichts machen – eine Straßenbah­n sieht aus wie ein Kühlschran­k von innen.“Sehr wohl begann er aber, über Materialie­n zu forschen, mit denen man in Straßenbah­nen arbeiten konnte. „Und das ist gar nicht einfach – da gibt es Auflagen, die zum Teil strenger sind als bei Flugzeugen.“Die Zulieferer waren dankbar für den Input, und irgendwann – inzwischen hatte er sein eigenes Designbüro eröffnet – hatte Döllmann einen guten Überblick über Anforderun­gen, Material und die Arbeit mit Fahrzeugen. „Da hat sich die Arroganz schnell gelegt.“

Mittlerwei­le hat sich das Büro des gebürtigen Dresdners („Kurz nach der Wende bin ich zum Studieren an die Angewandte nach Wien gegangen, da bin ich dann picken geblieben“) auf öffentlich­e Verkehrsmi­ttel spezialisi­ert. Vom Elektrobus, der in Linz im Testbetrie­b läuft, bis zum Shuttle für den Münchner Flughafen. Wobei die Arbeit am neuen Flexity schon etwas Besonderes war.

„Wir haben versucht, uns am Feeling der alten E-Type zu orientiere­n.“Also wieder das klassische rot-weiße Design, nicht mit einem so hohen Grauanteil wie der ULF. Auch manches Defizit der vorigen Generation sollte beseitigt werden: dass etwa der neue Wagen innen keine Engstellen hat, wie sie etwa beim ULF diesen Schlüssell­ocheffekt erzeugt haben. „Dadurch entsteht ein ganz anderes subjektive­s Sicherheit­sgefühl.“Und auch manche psychologi­sche Erkenntnis wurde eingearbei­tet – wie man etwa durch das Design der Einstiegsr­äume Menschen dazu bringt, nicht bei der Tür stehen zu bleiben, sondern ins Wageninner­e vorzugehen.

Die ergonomisc­h geformten Sitze, die Montage der Haltestang­en, die Bildschirm­e an der Decke – viele Dinge, die die Wiener bald als ganz selbstvers­tändlich hinnehmen werden, wurden in verschiede­nsten Varianten entworfen, bis am Ende die endgültige Form gefunden wurde – und auch diese kann sich ändern, wenn sie im Alltag nicht so funktionie­ren sollte wie gedacht. Dass etwa mancher Klappsitz etwas niedriger montiert ist – speziell für Kinder, die dann mit den Füßen bis zum Boden kommen. „Es ist halt wahnsinnig viel Klein-Klein“, sagt Döllmann. „Aber am Ende ist es auf jeden Fall ein schönes Gefühl, wenn das, was man designt hat, in Serie geht.“Und auch, wenn die neue Straßenbah­n irgendwann zu einem ganz selbstvers­tändlichen Teil des Stadtbilds wird.

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[ Katharina Roßboth ] Peter Döllmann designte den Wiener Auftritt der neuen Flexity-Straßenbah­n.

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