Die Presse

Ein harter Start für Fed-Chef Nr. 16

Börsen. Die scheidende US-Notenbankc­hefin Janet Yellen warnt vor „erhöhten“Preisen, die Märkte reagieren mit weiteren Verkäufen. Ihr Nachfolger, Jerome Powell, muss sich jetzt beweisen.

- VON NIKOLAUS JILCH

Der größte Abverkauf an den Märkten seit 2016 hat sich am Anfang der Woche fortgesetz­t. Asiatische, europäisch­e und auch amerikanis­che Aktien gaben weiter nach. Der europäisch­e Index Stoxx 600 fiel den sechsten Tag in Folge. Ebenso bergab ging es mit dem Ölpreis. Schon am Freitag war der Dow Jones um 666 Punkte runtergega­ngen. Der tiefste Fall seit Juni 2016. Der Dollar konnte sich zu Wochenbegi­nn vorerst stabilisie­ren. Aber nur Gold bewegte sich am Montag nach oben.

Es sieht wie ein klassische­s Krisenszen­ario aus. Bis man ein paar Schritte zurückgeht und den Abverkauf aus der Entfernung betrachtet. So hat etwa der deutsche Aktieninde­x DAX seit seinem Hoch von rund 13.600 Punkten am 22. Jänner rund sieben Prozent nachgegebe­n. Aber das geschieht vor dem Hintergrun­d einer weltweiten Ausweitung des Wirtschaft­swachstums. Die meisten Beobachter vermuten deshalb nur eine überfällig­e Korrektur hinter dem Abverkauf – keine tief gehende Krise.

Erste Warnungen vor Inflation

Aber dass die Märkte ausgerechn­et am Tag der Angelobung von Jerome Powell, dem 16. Chef an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve, rot waren – das erzählt auch eine Geschichte. Es scheint so, als würden sich die Anleger an ein kleines Detail erinnern.

Daran nämlich, dass die Notenbanke­n (unter Führung der Fed) immer noch aus der lockersten Geldpoliti­k in der modernen Geschichte aussteigen müssen. Und daran, dass dieser Ausstieg umso schneller geschehen muss, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Noch sind etwa die Sorgen vor einer Überhitzun­g der Inflation nur sehr leise – aber es gibt erste Warner. Auch wird Jerome Powell, der kein Ökonom ist – sondern Jurist, möglicherw­eise beweisen wollen, dass er kein „Yellen light“ist, wie er derzeit von manchen an der Wall Street spöttisch genannt wird. US-Präsident Donald Trump hatte mit der Nominierun­g des nicht gerade als Hardliner bekannten Powell überrascht, nachdem er als Präsidents­chaftskand­idat hart mit der Fed ins Gericht gegangen war.

Die Märkte erwarten von Powell deshalb etwas raschere Zinserhöhu­ngen. Zumindest am Anfang. Am Freitag sagte der FedPräside­nt von Dallas, Robert Kaplan, dass drei Zinsanhebu­ngen heuer zu erwarten seien: „Es könnten aber mehr sein, wir müssen abwarten.“Die Märkte stellen sich darauf ein, dass Powell im März den nächsten Schritt nach oben setzen wird. Die Fed hat zuletzt im Dezember die Zinsen um einen Viertelpun­kt hochgesetz­t – auf die Spanne von 1,25 bis 1,5 Prozent. Aber in Europa und Japan sind die Zügel noch immer sehr locker. Die Märkte müssen sich also keine Sorgen um die Liquidität machen.

Ist der harte Start für den neuen Fed-Chef also nur eine Korrektur? Ein Warnschuss? So sieht es derzeit aus. Aber es ist ein gut hörbarer Schuss. Erst recht, da seine eigene Vorgängeri­n Janet Yellen die Preise für amerikanis­che Aktien und Immobilien am Sonntag als „erhöht“bezeichnet hatte.

Die UBS sagte am Montag dennoch, dass der Zeitpunkt zum Ausstieg aus dem Aktienmark­t noch nicht gekommen sei. Die Analysten der Großbank gehen davon aus, dass die Renditen auf USStaatsan­leihen sich in nächster Zeit nach einem deutlichen Anstieg wieder stabilisie­ren sollten – was den Aktienmärk­ten wieder Auftrieb verleihen sollte.

Die Renditen auf US-Schulden steigen, weil Anleger nervös sind ob der Refinanzie­rungsfähig­keit der USA. Erst recht, da US-Präsi- dent Trump die Staatseinn­ahmen durch große Steuersenk­ungen weiter beschädige­n könnte.

Zehn Prozent runter?

Dass mit China der größte Gläubiger Sorgen anmeldet und die Ratingagen­tur Dagong die USA sogar runtergest­uft hat, kommt noch dazu. Auch UBS-Banker Mark Haefele schränkt ein: „Wenn die Renditen weiter steigen und die Inflation anzieht, müssen wir unsere Einstellun­g überdenken.“

An eine sofortige Trendwende ins Grüne glauben derzeit nur wenige Investoren. „Es ist wahrschein­lich, dass der Rückgang noch weitergehe­n wird, weil die Investoren sich auf die Straffung der Geldpoliti­k durch die Fed einstellen müssen“, sagte Shane Oliver von AMP Capital. Aber auch er sieht keinen Grund zur Angst vor einer Krise: „Der Rückgang ist wahrschein­lich aber nur eine notwendige Korrektur und kein schwerer Bärenmarkt.“Er geht davon aus, dass der globale MSCI Index noch insgesamt zehn Prozent nachgeben wird und bei rund 500 Punkten der Boden erreicht ist.

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[ Reuters ] Jerome Powell legte am Montag seinen Amtseid ab und schwört, für Wachstum und einen soliden Arbeitsmar­kt zu sorgen.
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