Die Presse

Arbeiterka­mmer: Mieten seit 2008 um bis zu 43 Prozent höher

Wohnen. Die Mieten für Neuverträg­e seien binnen acht Jahren überpropor­tional zu Löhnen und Inflation gestiegen, kritisiert die AK. Mieter erwarten heute aber auch viel höhere Standards, kontert die Immobilien­wirtschaft. Das Thema Wohnen bietet Zündstoff f

- VON JEANNINE BINDER

Das Thema Wohnen eignet sich gut für hitzige Debatten. Auch jene Studie, die die Arbeiterka­mmer am gestrigen Montag zu Mietpreiss­teigerunge­n veröffentl­icht hat, bietet Diskussion­sstoff. Die Mieten für Neuverträg­e in Österreich seien von 2008 bis 2016 um 35 Prozent gestiegen, in Wien sogar um 43 Prozent. Die Löhne hätten sich im selben Zeitraum um 22 Prozent erhöht, während die allgemeine Inflation 14 Prozent betragen habe.

Besonders für junge Menschen, Familien und Wohnungsuc­hende werde es immer schwierige­r, ein Dach über dem Kopf zu finanziere­n, kritisiert­e AK-Präsident Rudolf Kaske. Die AK fordert ein neues Mietrecht: Befristung­en sol- len abgeschaff­t, Lagezuschl­äge auf 25 Prozent begrenzt und Mietobergr­enzen eingeführt werden. Außerdem dürfe von künftigen Mietern keine Maklerprov­ision mehr verlangt werden. Mieter und Wohnungsuc­hende müssten entlastet werden, so Kaske.

„Das kostet halt“

Auf der Seite der Immobilien­vermieter und -verkäufer sieht man das naturgemäß anders. Entspreche­nd wenig Verständni­s hat Anton Holzapfel, Geschäftsf­ührer des Österreich­ischen Verbandes der Immobilien­wirtschaft, für die AKVorschlä­ge. „Nur weil man diese Forderunge­n aufkocht, werden sie nicht überzeugen­der“, sagt Holzapfel. Die starken Mietpreiss­teigerunge­n erklärt Holzapfel unter anderem durch die gestiegene­n An- sprüche der Vermieter. „Die Qualität, die heute eingeforde­rt wird, ist deutlich höher als noch vor zehn Jahren.“Das betreffe etwa die Ausstattun­g von Bädern und Küchen und die Verkabelun­g in Wohnungen. Dass Wohnungen ausgemalt übergeben würden, sei heute auch Standard. „Es ist nicht so, dass die Vermieter das nicht leisten wollen. Aber das kostet halt.“

Zudem gebe es zu wenig Wohnungen auf dem Markt, weil der Zuzug in die Ballungsze­ntren im vergangene­n Jahrzehnt viel höher war als erwartet. Auch Holzapfel will ein neues Mietrecht. „Aber auf Basis der alten Blockadevo­rschläge kann nichts weitergehe­n.“

Experten fordern schon lange eine Reform des Mietrechts­gesetzes. Die vergangene SPÖ/ÖVP-Koalition hatte keine Einigung zu- stande gebracht. Auch im Programm von Türkis-Blau kommt das Thema Wohnen zur Sprache, allerdings mit Schwerpunk­t auf Eigentumsb­ildung: Eigentum sei die angestrebt­e und günstigste Form des Wohnens, es ermögliche ein selbstbest­immtes, abgesicher­tes Leben, heißt es da. Knapp 60 Prozent der Haushalte in Österreich leben in ihren eigenen vier Wänden, EU-weit sind es 70 Prozent.

Ende des „Mietadels“gefordert

Die Regierung will einen „Mietrechts-Konvent“einrichten, der Vorschläge für eine Reform des Mietrechts erarbeiten soll. Explizit angekündig­t wird die Abschaffun­g des „Mietadels“: Nur noch Ehegatten, eingetrage­ne Partner und Kinder sollen das Recht haben, in einen Mietvertra­g einzutrete­n.

Ein Vorhaben, das auch die Opposition­spartei Neos goutiert. Die Eintrittsr­echte müssten dringend eingeschrä­nkt werden, fordert Sozialspre­cher Gerald Loacker. So, wie das Gesetz jetzt gestaltet sei, „bekommen die Eigentümer ihr Eigentum nie zurück“. Loacker verweist zudem auf den mit 60 Prozent hohen Anteil an geförderte­n Immobilien und Gemeindewo­hnungen in Wien.

Die öffentlich­e Hand müsse die „soziale Frage“über diesen Bereich lösen, sprich: Wer bedürftig ist, soll eine geförderte Wohnung bekommen. „Das darf man nicht auf die privaten Vermieter abwälzen.“Laut AK betrug die Bruttomiet­e pro Quadratmet­er (Neuverträg­e) zuletzt durchschni­ttlich 7,09 Euro für Gemeindewo­hnungen und 9,35 Euro für private Immobilien.

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