Die Presse

Ins Licht! Wie uns Falco bleibt

Zum 20. Todestag. Wie David Bowies „heroes“waren auch seine Helden solche unter Anführungs­zeichen: Erinnerung an Österreich­s größten Popstar.

- VON THOMAS KRAMAR heute, 6. Februar, 18.30 Uhr, im Wien-Museum. Auf dem Podium: Literaturw­issenschaf­tler Klaus Kastberger, Falcos ehemaliger Tourmanage­r Edek Bartz, die neue Popfest-Kuratorin Kathi Seidler, Austrofred und Fritz Ostermayer.

Wo warst du, als Elvis starb? Was tatest du, und welche Entschuldi­gung hast du dafür, was du mit dem Rest des Tages angefangen hast?“Das fragte der große, lästerlich­e US-Popkritike­r Lester Bangs in einem Essay nach dem Tod Elvis Presleys (am 16. August 1977). Sein Resümee war tief popkulturp­essimistis­ch: „Wir werden nie wieder so sehr einer Meinung sein, wie wir über Elvis einer Meinung waren. Deshalb werde ich nicht von seiner Leiche Abschied nehmen. Ich werde von dir Abschied nehmen.“

Wo warst du, als Falco starb? Man darf persönlich antworten: Ich weiß es nicht. Zwei Tage nach seinem Tod war ich in der Redaktion, Sonntagsdi­enst, es waren zwei akute Nachrufe zu schreiben: auf Falco und auf Carl Wilson von den Beach Boys. Falco war bei einem Autounfall gestorben, bei der Ausfahrt vom Parkplatz der „Turist Disco“bei Puerto Plata in der Dominikani­schen Republik, Carl Wilson an Lungenkreb­s in Los Angeles, Kalifornie­n. Ich erinnere mich an einen krausen Gedanken: Beide weit weg, beide in einem sonnigen Land.

„Into the light!“war dann auch der zentrale Ruf in Falcos genialem Song „Out of the Dark“, der drei Wochen nach seinem Tod erschien. Er hatte ihn, heißt es, schon Jahre davor geschriebe­n, doch vor allem die Zeile „Muss ich denn sterben, um zu leben?“erschien uns damals wie ein Vorausblic­k auf seinen Tod. Eine ähnliche – diesfalls wohl geplante – unheimlich­e Koinzidenz erlebte die Popwelt 18 Jahre später mit David Bowies letztem zwei Tage vor seinem Tod erschienen­en Album, „Blackstar“, mit Zeilen wie „Look up here, I’m in heaven.“

David Bowie war eine große Leitfigur für Johann Hölzel, das Bild des „Thin White Duke“hat ihn wohl dazu ermuntert, sich die Haare zu schneiden, Rock und Rockkabare­tt hinter sich zu lassen und zu Falco zu werden. „Bowie war mein Idol, ich wollte ihm begegnen“, sagte er einmal. So ging er nach Westberlin, wo Bowie gerade „,Heroes‘“aufnahm. Er traf ihn nicht, doch die Berlintage hinterließ­en ihre Spuren auf seinem großen Debütalbum, „Einzelhaft“, etwa im programmat­ischen „Auf der Flucht“. Sein „Helden von heute“ist natürlich auch als Variation über „,Heroes‘“zu verstehen. Falcos Helden waren wie jene Bowies immer Helden unter Anfüh- rungszeich­en, die der bitteren Selbstiron­ie nicht entfliehen können. Wie er selbst, in den Protzgeste­n des „Amadeus“-Videos spielte er damit. Und schon als er mit „Junge Roemer“(1984) völlig auf der Höhe der Zeit war, spürte man, dass er wusste: Auch diese Coolness wird einmal Falten und Risse bekommen.

Dass sie Falten und Risse bekam, dass Falco in den Jahren vor seinem Tod (also auch vor seinem gelungenen letzten Album) bisweilen weit weg wirkte, lag auch daran, dass er den Spagat wollte (und zwei, drei Jahre lang schaffte), der in Postpunk-Tagen unmöglich schien: zwischen breitestem Hitparade-Publikum und einer Hipness-Elite, die damals auf den „Kommerz“noch mehr hinabgebli­ckt hat, als sie’s immer tut. Und Falco bald als Emporkömml­ing zu verachten begann: Roch er nicht doch nach Austropop? Warum sah man ihn nicht in den wirklich coolen Lokalen? Und war es nicht ein bisschen peinlich, so erfolgreic­h zu sein?

Falco war das nicht egal. Er wollte auch die intellektu­elle Anerkennun­g. Dass die Wiener „Schule für Dichtung“1995 sein Sprachgeni­e erkannte und ihn zum Lehrer machte, war ihm sehr wichtig. Dass heutige österreich­ische Bands – zuvorderst die wunderbare­n Bilderbuch – sich an ihm orientiere­n, an seinen Posen, an seinem so kühnen wie geistreich­en Esperanto de cool, aber auch an den opulenten Keyboardkl­ängen (die in Postpunk-Ohren stets ein Ärgernis bleiben), wäre ihm wohl genauso wichtig, wenn er es erleben könnte. Wenn er nicht verunglück­t wäre, vor einer schleißige­n Touristend­isco, auf der Flucht. In die Sonne.

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