Die föderalen Revierpflöcke
Exzessiver Föderalismus als Hemmschuh sowohl für das Gesundheitswesen als auch für die Schulverwaltung.
Eine Feier? Aber es gibt doch nichts zu feiern“, ärgert sich der gastgebende Präsident der Industriellenvereinigung. „Zehn Jahre ÖsterreichKonvent – keine Föderalismusreform!“Ein Konventmitglied erklärte: „Meinen Entwurf hätten die Landeshauptleute abmontiert!“Macht, Schuldzuweisungen, Revierpflöcke, Stammtischsichtweisen – Ingredenzien des oft infektiösen Cocktails „Föderalismus“! Welche Krankheit? Föderalismusinfarkt! Symptom? Einigkeit über notwendige Änderungen, aber dennoch Stillstand!
Das 250 Jahre alte Kanalsystem mit Bremsstationen auf allen Hierarchieebenen, einst konzipiert auch für das Spitzel- und Zensurwesen, ist in der heutigen komplexen Zeit nicht mehr zu überblicken, folglich auch nicht steuerbar. Unbeherrschbare Strukturen etwa im Gesundheitswesen: dschungelgleiche Verquickungen von Faktoren wie separaten Bundesländerkrankenkassen und solchen, die bundesweit tätig sind, unterschiedliche Honorarsysteme, die Planungen verhindern, mehrgleisiges Arbeiten inner- und außerhalb der Spitäler, Großkrankenhäuser knapp dies- und jenseits von Ländergrenzen, fehlende Abstimmungen – dies alles beschert den Krankenhäusern jährlich 900.000 Patienten, die besser ambulant zu versorgen wären.
Laut dem Gesundheitsökonom Ernest G. Pichlbauer kostet dies bis zu zwei Milliarden Euro und zumindest 500 Patienten das Leben, die sich, was nicht zu verhindern ist, mit Krankenhauskeimen infizieren. Auch sie sind Opfer eines unbeherrschbaren Föderalismus.
Seit dem EU-Beitritt haben sich Gewichtungen in Bund, Ländern und Gemeinden verschoben. Nationalratsabgeordnete haben weniger die Bürger ihrer Wahlkreise im Blick als das Verstehen komplexer Gesetzesmaterien. Stabiles Zentrum sind die Länder – sie bestehen zum Teil seit über 1000 Jahren. Die bürgernächste Ebene aber sind die Gemeinden, sie sind hochmoderne Dienstleister, hier ist Demokratie lebendig.
Streiten mit Regierungsmitgliedern? Geht nicht! Dispute mit Bürgermeistern – das ist alltägliche kommunale Normalität. Maximale Zufriedenheit der Bürger mit jenen Dienstleitungen, die die Gemeinden aus eigener Kraft erbringen – abseits der berüchtigten föderalen „Vielköcherei“.
Sodann das Infarktrisiko föderale Schulverwaltung! Zehn Ebenen, zwei Dutzend institutioneller Verknüpfungen, sieben Jahre währende Direktorenkür, unklare Verantwortlichkeiten. 2017 verließen 31 Prozent der 15-Jährigen die Schule, ohne ausreichend lesen, schreiben und rechnen zu können – das sind mehr als 1914. Diese 15.000 werden doppelt so viel Zeit im Krankenhaus verbringen und sieben Jahre früher sterben.
Gründe dafür sind die seit den 1970er-Jahren verordneten Romantizismen wie „Dauerspaß“in der Schule, kein Üben, veraltete pädagogische „Werkzeugkisten“. Die Stimmen der Besorgten verhallen ungehört in muffigen föderalen Uraltkanälen!
Föderalismus neu am Beispiel Schule wäre: Der Bund sichert durch knappe Zentralgesetzgebung Vergleichbarkeit, er organisiert Lehrerbildung und weisungsfreie Qualitätskontrolle. Die dem Bürger am nächsten stehende Ebene, die Gemeinden, führen die Schulen eigenverantwortlich, die Länder stellen schlanke Servicestellen abseits der Hierarchie. Dieser Struktur folgen die weltweit erfolgreichsten Schulsysteme. Weg also mit föderalen Revierpflöcken, Schuldzuweisungen, Stammtischlogik, Augenverschließen! Wissen und Sicht sind klar, der Weg ist frei. Gehen wir ihn!