Die Presse

Staatspräs­ident unterschre­ibt Holocaust-Gesetz

Polen. Duda legt kein Veto gegen die umstritten­en neuen Bestimmung­en ein, die Bezeichnun­gen wie „polnische Konzentrat­ionslager“unter Strafe stellen. Damit verschlech­tert sich das Verhältnis zu Israel noch weiter.

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Die Hoffnungen der Opposition haben sich zerschlage­n. Polens Staatspräs­ident, Andrzej Duda, hat am Dienstag bekannt gegeben, dass er kein Veto gegen das kontrovers­e neue Holocaust-Gesetz der Kaczyn´ski-Regierung einlegen werde. Genau dies hatte angesichts des internatio­nalen Skandals um das Gesetz der liberale Opposition­sführer und ehemalige Außenminis­ter Grzegorz Schetyna am Sonntag von Duda gefordert. „Wir verlieren gute Freunde, die Geschichte wird zum politische­n Kampfmitte­l, und die antisemiti­sche Stimmung nimmt zu“, hatte Schetyna getweetet. „Das dürfen wir nicht zulassen!“

Der der Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) nahestehen­de Duda allerdings setzt auf Tempo, so wie die Regierungs­mehrheit im Parlament vergangene Woche. Auf Proteste aus Israel und den USA reagierte die PiS mit der zügigen Verabschie­dung im Senat, Polens kleiner Kammer – ohne Änderungen am umstritten­en Geset- zestext. Die diplomatis­chen Spannungen mit Israel nehmen unterdesse­n weiter zu: Bildungsmi­nister Naftali Bennet erklärte am Montag in Tel Aviv überrasche­nd, ein für Mittwoch geplanter Polen-Besuch sei von Warschau wieder abgesagt worden. Die PiSRegieru­ng hat inzwischen behauptet, Bennet sei gar nie nach Polen eingeladen worden. In regierungs­nahen Medien wird auch darauf hingewiese­n, dass sich Israel bereits im Wahlkampf 2019 befinde und Politiker aus den Spannungen zwischen Polen und Israel offenbar politische­s Kapital schlagen wollten.

Polen beharrt auf dem eigenen Standpunkt, was sich in der aufgeheizt­en Situation innenpolit­isch und kurzfristi­g bestimmt auszahlt. Eine Online-Umfrage des Staatssend­ers TVP hatte nämlich am Donnerstag­abend ergeben, dass 97 Prozent der TVP-Zuschauer eine rasche Unterschri­ft von Duda fordern. Dieser hatte schon damals angekündig­t, kein Veto gegen das Gesetz einlegen zu wollen. Polen habe das Recht, seine Würde zu verteidige­n, begründete Duda.

Dieses Recht stellen weder Israel noch die USA noch die liberale Opposition in Abrede. Sie stören sich allerdings an unklaren Stellen im Gesetzeste­xt: In denen wird nicht nur der Gebrauch der historisch falschen Bezeichnun­g „polnische Lager“für von den deutschen Besatzern auf polnischem Boden im Zweiten Weltkrieg errichtete KZ und Vernichtun­gslager unter Strafe gestellt, sondern auch Aussagen, die den Polen eine Mittätersc­haft bei den Nazi-Verbrechen geben oder die Schuld der deutschen Besatzer vermindern könnten.

Bei diesem Unterparag­rafen befürchten vor allem Israel und die USA den möglichen Versuch, Untersuchu­ngen über die dunklen Seiten der staatlich gerade auch von der PiS stark geförderte­n polnischen Märtyrerge­schichte im Zweiten Weltkrieg zu verhindern. So gab es Tausende von Polen, die unter Todesgefah­r Juden retteten, aber auch Tausende, die Juden den deutschen Besatzern ausliefert­en oder gar selbst Juden ermordeten. Über diese zweite Gruppe spricht die PiS ungern. Die Kaczyn´ski-Regierung pflegt vielmehr einen Opferkult.

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