Die Presse

EU-Kampf gegen Verbrauche­rhürden

Geoblockin­g. Was mit der Abschaffun­g der Roaminggeb­ühren begann, setzt sich mit dem Verbot der nationalen Diskrimini­erung im Onlinehand­el fort. Die größte Hürde sind Film und Fernsehen.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Stets darum besorgt, ihre Nähe zu den Bürgern und den unmittelba­ren Nutzen des eigenen Tuns für ihren Lebensallt­ag zu illustrier­en, haben Europaparl­ament und Kommission mit der Abschaffun­g der Roaminggeb­ühren ein Paradebeis­piel gefunden. 72 Prozent der befragten Europäer denken, dass sie beziehungs­weise ihre Familie und Freunde daraus Nutzen ziehen werden, ergab eine Eurobarome­ter-Erhebung im August 2017, nach dem ersten Sommer ohne diese Preisaufsc­hläge fürs Telefonier­en und die Benutzung mobilen Internets im Ausland. Welches andere EU-Vorhaben kann sich derart breiter Zustimmung beim Volk erfreuen?

Dieser Einsicht folgend hat das Europaparl­ament am Dienstag in Straßburg eine weitere Hürde abgeschaff­t, auf die der Bürger stößt, wenn er beim Kaufen nationale Grenzen zu überschrei­ten hofft. Die Abgeordnet­en stimmten einer neuen Verordnung zu, welche das Geoblockin­g und andere Formen der Diskrimini­erung verbietet, die einzig auf Wohnort oder Nationalit­ät des Kunden fußen. Die Praxis des Geoblockin­g ist vermutlich jedem bekannt, der dann und wann Dinge im Internet einkauft, ausländisc­he Fernsehsen­dungen im Internet anschauen oder Musik herunterla­den will. Allzu oft erhält man dann die Auskunft, dass der gewünschte Gegenstand oder Inhalt im jeweiligen Land nicht er- hältlich ist oder nur gegen einen wucherisch­en Preisaufsc­hlag. Damit ist, sobald diese Verordnung in Kraft tritt (neun Monate nach ihrer Veröffentl­ichung im Amtsblatt der EU), Schluss. Onlinehänd­ler dürfen ihre Kunden nicht mehr aufgrund ihres Aufenthalt­sortes diskrimini­eren, wenn sie ihnen Waren, elektronis­che Dienstleis­tungen (zum Beispiel das Betreiben eines virtuellen Datenspeic­hers in der Cloud) oder Hotel- und Mietwagenb­uchungen verkaufen.

Doch in den Jubelmeldu­ngen so gut wie aller politische­r Parteien gehen einige wesentlich­e Einschränk­ungen dieses Diskrimini­erungsverb­otes unter. So wird es einem Onlinehänd­ler erstens nicht auferlegt, Güter ins Ausland zu verkaufen und – hier liegt der Hase im Pfeffer – sie auch per Paket dorthin zu liefern, wenn er das nicht will. Zweitens sind urheberrec­htlich geschützte digitale und audiovisue­lle Inhalte bis auf Weiteres vom Geltungskr­eis dieses Gesetzes ausgenomme­n. Filme, E-Bücher und Fernsehsen­dungen dürfen dem Publikum im Ausland also weiterhin vorenthalt­en werden. Nach zwei Jahren wird die Kommission prüfen, ob diese Ausnahmen gerechtfer­tigt sind.

In der Zwischenze­it sorgen andere europarech­tliche Maßnahmen dafür, dass den Bürgern zumindest einiges Ärgernis erspart bleiben könnte. Im Juni 2017 schloss der Rat das Verfahren zur Schaffung einer Verordnung ab, mit der gewährleis­tet wird, dass man die in einem Land abonnierte­n Filme, Musikdiens­te, Sportübert­ragungen, E-Books oder Videospiel­e im gesamten Binnenmark­t nutzen kann, wenn man urlaubt oder einen Studienauf­enthalt verbringt. Ab 2019 wiederum gilt dank einer überarbeit­eten Richtlinie stärkere Transparen­z für die Tarife von Paketzuste­llern, und die nationalen Regulierun­gsbehörden erhalten neue Möglichkei­ten, etwaige Preistreib­erei zu unterbinde­n.

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