Die Presse

Traum von der U-Bahn ins Grüne

Niederöste­rreich prüft, wo die U-Bahn aus Wien herausfahr­en könnte, Wien ist skeptisch.

- DONNERSTAG, 8. FEBRUAR 2018 VON GERHARD BITZAN UND ERICH KOCINA

Es ist eine Geschichte, die schon seit Jahren immer wieder auftaucht – dass die Wiener U-Bahn über die Stadtgrenz­en hinaus ins niederöste­rreichisch­e Umland verlängert werden soll. Die Geschichte des schnellen Scheiterns dieser Ideen ist allerdings ebenso lang. Im mittlerwei­le vergangene­n niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hlkampf wurde das Thema allerdings wieder aufgenomme­n – und im Rahmen eines „Mobilitäts­pakets“von Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forciert.

Konkret werden unter der Gesamtkoor­dination von Verkehrspl­aner Friedrich Zibuschka die Verlängeru­ngsmöglich­keiten in alle (von Wien aus gesehen) Himmelsric­htungen geprüft. Und das, so heißt es aus dem Büro von Verkehrsla­ndesrat Karl Wilfing (ÖVP), sei auch der qualitativ­e Unterschie­d zu den bisherigen Debatten. Dass nämlich sämtliche Potenziale an Fahrgästen, mögliche Trassenfüh­rungen und auch Kosten untersucht werden sollen.

„Die Debatte über Verlängeru­ngen gibt es tatsächlic­h schon lange“, sagt Zibuschka zur „Presse“. Nun sei man aber schon um einiges konkreter unterwegs. Es werde geprüft, wie hoch die Kosten sind, wo Tunnel kommen müssten, wo Trassenhoc­hlagen möglich seien, welche Kosten dies verursache­n würde und wie hoch mögliche Passagierz­ahlen seien. Das sei aber noch keine Detailplan­ung, sondern eine grundsätzl­iche Darstellun­g aller Möglichkei­ten. Es werde bis nach Ostern dauern, bis die Studie fertig sei.

Analysiert werden die Möglichkei­ten für alle U-Bahnen, die ins Umland führen können: Das sind die U1 im Norden und Süden, irgendwann möglicherw­eise die U2 über Aspern hinaus, die U3 über Simmering hinaus Richtung Schwechat und womöglich sogar zum Flughafen, die U4 über Hütteldorf Richtung Westen, aber auch über Heiligenst­adt nach Klosterneu­burg hinaus. Auch die U6 könnte im Norden verlängert werden, vor allem aber im Süden Richtung SCS, wo es dichten Wohnbau gibt bzw. geben wird.

Konkretere­s in Purkersdor­f

Am konkretest­en wurde in den vergangene­n Wochen über eine Verlängeru­ng der U4 über Auhof nach Purkersdor­f gesprochen. Auch hier evaluiert Zibuschka Trassen, Stationen und Fahrgastpo­tenzial. Bei einem Treffen in St. Pölten sprachen unter anderem die Bezirksvor­steherin von Hietzing, Silke Kobald (ÖVP), der Bürgermeis­ter von Purkersdor­f, Karl Schlögl (SPÖ), und Verkehrsla­n- desrat Wilfing mit Zibuschka über Optionen der Verlängeru­ng. Ein Treffen, nach dem sich die Beteiligte­n optimistis­ch zeigten.

Schlögl betont im Gespräch mit der „Presse“, dass einmal die erste Etappe der Verlängeru­ng bis Purkersdor­f, nämlich jene bis Hadersdorf, ins Auge gefasst wird. „Das Projekt ist relativ kostengüns­tig, weil man die Trasse (nicht die Gleise) der Westbahn nehmen könnte. Das heißt, es wird nicht unter der Erde gebaut, sondern oben.“Schlögl verweist darauf, dass auch Wien eine Machbarkei­tsstudie dazu erstelle.

Allein, von Wiener Seite aus ist die Euphorie nicht annähernd so groß wie in Niederöste­rreich. Etwa bei Verkehrsst­adträtin Maria Vassilakou bzw. dem grünen Verkehrssp­recher Rüdiger Maresch: „Ja, wir haben zugesagt, uns die Verlängeru­ng nach Purkersdor­f genauer anzusehen.“Allerdings seien U-Bahn-Verlängeru­ngen grundsätzl­ich viel zu teuer. „Wichtiger wäre eine Verdichtun­g des Schnellbah­nangebotes: Das ist billiger und geht rascher.“

Tatsächlic­h ist die U-Bahn als innerstädt­isches Hochleistu­ngsverkehr­smittel gedacht, das in kurzen Intervalle­n unterwegs ist. Und das vor allem dann gut funktionie­rt, wenn es – von Stoßzeiten abgesehen – über den ganzen Tag verteilt eine ähnliche Frequenz an Fahrgästen hat. Dazu kommt, dass auf dem Weg zu möglichen Zielen in Niederöste­rreich zwischendu­rch auch weniger dicht besiedelte Gebiete liegen – für die würde sich eine U-Bahn mangels Fahrgästen nicht auszahlen. Auf derartigen Strecken könnte eine S-Bahn dann sinnvoller sein.

Es kann auch mehr S-Bahn sein

Zibuschka legt sich dann auch nicht darauf fest, dass es unbedingt eine U-Bahn sein muss: „Wir schauen uns natürlich beides an: Welche Maßnahmen für einen Schnellbah­nausbau und für eine Taktverdic­htung gesetzt werden müssen, was sie kosten und was sinnvoller ist. Vielleicht kann man auch Schnellbah­n und U-Bahn kombiniere­n.“Das Wichtigste sei aber, dass Wien und Niederöste­rreich da kooperiere­n, sagt der Verkehrspl­aner. Nach Ostern ist jedenfalls die nächste Arbeitsgru­ppe zum Thema geplant.

Bei den Wiener Linien will man keine grundsätzl­iche Kritik an der Idee einer grenzübers­chreitende­n U-Bahn anbringen. „Wir bauen gerne im Auftrag von Stadt und Land die U-Bahn“, sagt eine Sprecherin. „Und wir bringen uns mit unserer Expertise ein. Aber ob das kommt, ist eine Entscheidu­ng der Politik.“

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