Die Presse

Weniger Geld für kranke Arbeitslos­e?

Regierungs­pakt. ÖVP und FPÖ wollen Sozialmiss­brauch bekämpfen und „Durchschum­mlern“die staatliche Unterstütz­ung kürzen. Davon könnten auch kranke Langzeitar­beitlose betroffen sein.

- VON ANNA THALHAMMER

Die Bundesregi­erung hat sich zum Ziel gesetzt, bei den „Durchschum­mlern“hart durchzugre­ifen. Damit sind all jene gemeint, die den Sozialstaa­t ausnutzen wollen. Deswegen wurde zuletzt auch eine Reform des Arbeitslos­engeldes angekündig­t: Die Notstandsh­ilfe soll abgeschaff­t werden, mit der Dauer sollen die Arbeitslos­engeldbezü­ge deutlich sinken. Damit rutschen Bezieher schneller in die Mindestsic­herung. Weil diese aus Steuermitt­eln bezahlt wird, werden auch Vermögensz­ugriffe angedacht.

Von dieser Reform könnten künftig auch kranke Arbeitslos­e betroffen sein. Im Regierungs­programm heißt es auf Seite 143: „Keine Verlängeru­ng des Arbeitslos­engeldbezu­gs durch Krankenstä­nde außer bei stationäre­n Aufnahmen (Bekämpfung von Sozialmiss­brauch).“Durchdekli­niert könnte das bedeuten: Wenn das Arbeitslos­engeld neu auch für kranke Arbeitslos­e angewandt wird, müssen diese künftig ebenfalls mit abschmelze­nden Bezügen rechnen. Sie hätten somit deutlich weniger Geld zur Verfügung – und müssten schlussend­lich von Mindestsic­herung leben. Sollten die Regelungen in vollem Umfang zutreffen, stünden auch für sie Vermögensz­ugriffe ins Haus. Betroffen wären etwa Krebspatie­nten, psychisch Kranke oder Menschen mit Behinderun­g.

Hartinger-Klein beschwicht­igt

Auf „Presse“-Nachfrage, wie die Ankündigun­g im Regierungs­programm denn konkret umgesetzt werden soll, wird aber – wie beim Arbeitslos­engeld – trotz angekündig­ter Härte doch beschwicht­igt. „Es ist ein sehr sensibles Thema, und man muss sich sehr genau überlegen, wie das ausgeprägt sein soll“, sagt FPÖ-Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein. Kranke Menschen seien zu unterstütz­en. Mit ihr werde es „auf keinen Fall“einen Vermögensz­ugriff geben.

Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l erklärt: „Die Ausgestalt­ung des Arbeitslos­engeldes neu werde erst Ende des Jahres vorliegen.“Und: „Jemand, der ernsthaft erkrankt ist, muss nicht um sein Geld fürchten.“Was mit „ernsthaft“gemeint ist, führte Launsky-Tieffentha­l nicht weiter aus. Offenbar gibt es die Vermutung, dass sich unter den kranken Arbeitslos­en auch Simulanten finden. Das mögliche Vorhaben der Regierung könnte auch als Kritik an Ärzten verstanden werden – es schwingt mit, dass manche grundlos Krankmeldu­ngen ausstellen. AMS-Chef Johannes Kopf wollte die möglichen Pläne der Regierung vorerst nicht kommentier­en.

Wie steht es nun aber um den Gesundheit­szustand von Arbeitslos­en? Ein Blick in die Daten der Statistik Austria (EU-SILC) zeigt, dass Langzeitar­beitslose besonders oft von Krankheit betroffen sind. Jeder Dritte, der mindestens schon ein Jahr nicht in Beschäftig­ung ist, gibt an, mit einem „schlechten“oder „sehr schlechten“Gesundheit­szustand zu kämpfen. Im Vergleich zu den Beschäftig­ten entspricht das dem zehnfachen Wert (drei Prozent).

Mehr als die Hälfte der Langzeitar­beitslosen gibt an, an einer chronische­n Krankheit zu leiden – das ist immerhin noch doppelt so viel wie bei Erwerbstät­igen. Und rund ein Viertel der Langzeitar­beitslosen gibt an, eine Behinderun­g zu haben. Bei den Erwerbstät­igen sind es etwa vier Prozent.

Kein Job wegen Krankheit

Chronisch und schwer kranke Arbeitnehm­er verlieren aufgrund ihres Gesundheit­szustands ihren Job – und finden deswegen auch keinen neuen. So in etwa fassen die Autoren des „Fehlzeiten­report 2016“des Wifo den Zusammenha­ng zwischen Gesundheit und Langzeitar­beitslosig­keit zusammen. Die Lage habe sich vor allem bei Älteren verschärft. In den vergangene­n Jahren wurde der Frühaussti­eg aus dem Erwerbsleb­en erschwert – Frühpensio­nierungen aufgrund schlechten Gesundheit­szustandes sind gesunken. Das schlägt sich dafür aber in einem Anstieg der Arbeitslos­igkeit nieder.

 ?? [ APA ] ?? Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) möchte nicht auf das Vermögen kranker Langzeitar­beitsloser zugreifen.
[ APA ] Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) möchte nicht auf das Vermögen kranker Langzeitar­beitsloser zugreifen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria