Die Presse

Aufatmen nach der Börsenkorr­ektur: War das alles?

Börsenrepo­rt. Europas Börsen setzten am Mittwoch zu einer zaghaften Erholung an. Die US–Börsen hielten sich stabil. Experten glauben dennoch, dass es heuer noch volatiler wird. Einen wirklichen Crash fürchtet – vorerst – keiner.

- (b. l./ag)

Das Schlimmste scheint vorerst vorbei zu sein. Nachdem der Dow Jones am Montag die Marktteiln­ehmer mit dem höchsten Punkteverl­ust seiner Geschichte erschreckt hatte und tags darauf auch Europas Börsen scharf korrigiert hatten, sah am Mittwoch alles nach Entspannun­g aus. Die europäisch­en Indizes lagen am Nachmittag überwiegen­d im Plus.

In Wien konnte die Raiffeisen­Aktie nach vorläufige­n Quartalsza­hlen deutlich zulegen, doch auch andere Schwergewi­chte wie OMV, Telekom Austria oder Lenzing zogen den Index nach oben. Die US-Börsen, die bereits am Dienstag zu einer starken Erholung angesetzt hatten, starteten leicht im Minus. Die dortigen Aktienkurs­e preisten die Risiken einer steigenden Inflation und Zinserhöhu­ngen durch die US-Notenbank Fed noch nicht angemessen ein, warnt Analyst James Hughes vom Broker Axitrader. „Es wäre naiv, nun schon eine Rückkehr des Bullenmark­t-Modus zu erwarten.“

Die meisten Experten führen den jüngsten Kurssturz auf die Angst vor stärker als erwartet steigenden Zinsen in den USA zurück. Zuvor war nämlich der US-Arbeitsmar­ktbericht extrem positiv ausgefalle­n. Und nicht nur die Stundenlöh­ne, auch die Medianlöhn­e steigen deutlich, stellte Raiffeisen­Chefanalys­t Peter Brezinsche­k fest.

Das klingt eigentlich gut, könnte aber die Inflation befeuern, was die Fed zwingen könnte, die Zinsen stärker und schneller zu erhöhen als geplant. Und das könnte die Konjunktur bremsen.

Davon abgesehen glauben viele, dass die Korrektur nach den steilen Anstiegen schlicht überfäl- lig war: „Die Aktienindi­zes hatten unsere Ziele für das Gesamtjahr schon vor Ende Jänner erreicht. Insofern war eine Korrektur überfällig, und die haben wir jetzt gesehen“, schreibt Colin Moore, Globaler Chief Investment Officer bei Columbia Threadneed­le. „Es ist gesund für den Markt, wenn ein wenig Überschwan­g aus dem Markt verschwind­et.“

Ungewöhnli­ch lange Ruhe

Die Deutsche Asset Management verweist darauf, dass der MSCI World All Country Index am Dienstag nach der Korrektur noch immer ein Plus seit Jahresbegi­nn aufwies. „Zwar haben einige Indizes den größten Tagesverlu­st ihrer Geschichte erlitten. Doch das nur in Indexpunkt­en, und zwar vor allem aufgrund ihrer starken Entwicklun­g über die letzten Jahre.“ In Prozentpun­kten gerechnet seien Korrekture­n von 4,1 Prozent, wie sie etwa der S&P 500 am Montag verzeichne­te, in der Historie alles andere als ungewöhnli­ch. Ungewöhnli­ch sei vielmehr, dass es eine solche Korrektur 400 Tage in Folge nicht gegeben hatte.

Der aktivistis­che Investor Carl Icahn glaubt indes, dass die jüngste Korrektur nur ein Grollen vor einem schweren Beben gewesen sei. Das richtige Beben sei noch ausständig, könnte aber Jahre auf sich warten lassen. Eine Gefahr sieht Icahn im wachsenden Volumen passiver Investment­s: Dabei trifft niemand aktive Entscheidu­ngen für bestimmte Aktien, sondern es wird nur ein Index nachgebild­et. Das führe dazu, dass querbeet Aktien gekauft würden, ohne dass sich jemand über deren Qualität Gedanken mache.

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